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Und Nachts die Angst

Und Nachts die Angst

Titel: Und Nachts die Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Norton
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die ihr Vater sie heute Morgen gebracht hat.
    Die beiden frühstücken oft gemeinsam, und wie so viele Leute seiner Generation bringt ihr Vater gerne eine Tageszeitung mit an den Tisch, um über die Redakteure zu schimpfen und die Themen des Tages zu diskutieren. Außerdem sucht er jeden Morgen die Todesanzeigen nach Namen ab, die er in seinem Elefantengedächtnis gespeichert hat: Klassenkameraden, Lehrer, ehemalige Kollegen, Rotarier, Golfclubmitglieder oder ein anderer der zahllosen Bewohner von Jefferson County, denen er im Laufe seines Lebens begegnet ist.
    Sie findet die Angewohnheit ziemlich makaber, aber ihr Vater behauptet, er würde dadurch umso mehr schätzen, dass er selbst noch am Leben sei.
    »Was für eine Schande«, hatte ihr Vater heute Morgen gesagt, seine Kaffeetasse abgestellt und auf eine Schlagzeile getippt.
    Kim Benioff zuckte kaum mit der Wimper. Im ausgedehnten Bekanntenkreis ihres Vaters gab es so viele Todesfälle, dass sie dagegen weitgehend immun geworden war.
    Also beugte er sich vor, um ihre Aufmerksamkeit zu wecken. »Buster Ewings Tochter ist tot.«, sagte er. »Wenn das nicht tragisch ist.«
    »Tja, anscheinend ist sie weder erschossen, erwürgt noch erstochen worden«, scherzte Kim, während sie sich ein Stück Schinken nahm. »Sonst hätte ich wohl davon gehört.«
    Ihr Vater stach mit dem Zeigefinger auf die Überschrift. »Aber das bedeutet das Ende einer Dynastie, siehst du das nicht? Wieder ein traditionsreiches Unternehmen weniger. Kannst du dich noch an Buster erinnern? Das war eine Persönlichkeit, an dem kam man nicht vorbei. Hat uns das Haus verkauft und deiner Großmutter auch. Er ist vor – wann war das? – sechs oder acht Jahren gestorben, denke ich. Und jetzt ist auch seine Tochter tot. Emily Kay Ewing. Erst einundvierzig. Keine Kinder. Traurig, wirklich traurig.«
    Kim Benioff konnte sich an Buster nicht erinnern, aber der Name der Tochter löste etwas aus. Sie legte die Gabel zur Seite, zog sich die Zeitung heran und las den Artikel.
    Emily Ewing hatte ihnen den ersten echten Hinweis in der Entführungssache gegeben. Ihr Anruf war direkt zur Joint Special Task Force durchgestellt worden, und Kim Benioff hatte ihre Aussage aufgenommen. Anschließend hatte sie Lieutenant Paul Stephens alarmiert, und wenige Minuten später waren sie und vier andere Mitglieder der Sondereinsatztruppe im Haus an der Redrock Road gewesen und hatten die seltsame, neu eingezogene Wand untersucht, hinter der sich die Treppe zum Keller verborgen hatte.
    Sie waren in ein düsteres, beengtes Loch hinabgestiegen. Benioff erinnerte sich an schwaches Licht, einen dumpfig-feuchten Geruch und Löcher in der niedrigen Decke, wo man etwas herausgeschraubt hatte.
    Weniger als drei Stunden später hatte sie erfahren, dass man den ehemaligen Mieter, Randy Vanderholt, bei der Arbeit in der Mall gestellt hatte. Ohne Widerstand zu leisten, hatte er sie zu seinem Haus an der Tevis Ranch Road geführt, wo man Tilly in einem anderen, weniger beengten, aber genauso grausigen Keller gefunden hatte.
    Lebend. Nackt und traumatisiert, aber lebend.
    Nirgendwo ein Hinweis auf die anderen Mädchen. Aber wenn Vanderholt sie nicht entführt hatte, wer dann? Die einst heiße Spur war erkaltet, und inzwischen war sie tiefgefroren.
    Benioff hatte die Absicht gehabt, ein bisschen zu recherchieren, sobald sie ihre Nachrichten und E-Mails durchgesehen hatte, aber es war anders gekommen, und erst jetzt, am späten Nachmittag, hat sie die Zeit gefunden, die Lichter im Büro des großen Computerzampanos einzuschalten, sich in seinen überdimensionierten Chefsessel zu setzen und einer Idee nachzugehen.
    Sie weiß, dass es nicht viel ist. Die Ermittler haben die registrierten Sexualstraftäter längst mit den Leuten abgeglichen, die in einem Haus mit Keller wohnen, aber da Vanderholt in dieser Suche auch nicht aufgetaucht war, will sie an der Stelle noch einmal ansetzen und tiefer graben.
    Normalerweise würde sie einen anderen Officer bitten, diese Art von Recherche für sie zu erledigen. Aber ihr Ober-Nerd, Drew Eubank, ist mal wieder auf einem Casinotrip in Vegas – oder war es Reno? Und auch Tom Montoya hat seinen Resturlaub genommen und ist mit Kumpels auf die Jagd gegangen. Typisch. Irgendwie scheinen Montoya und Eubank es nie auf die Reihe zu kriegen, sich abzustimmen, so dass Benioff mal wieder alles allein machen muss.
    Sie ist keine forensische Computeranalystin, aber ganz ahnungslos ist sie auch nicht, und nach zehn

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