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Und Nachts die Angst

Und Nachts die Angst

Titel: Und Nachts die Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Norton
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vorsichtig voran, indem sie einen Stiefel vor den anderen setzt, Ferse an Spitze, Ferse an Spitze. Sie zählt die Schritte bis zur Wand. Auch da gestrichener Beton. Kalt, hart, nackt.
    Ja, Tilly, das ist ein Kerker.
    »Alles okay da unten?«, ruft Poe.
    »Moment.«
    Sie holt tief Luft, lässt ihre Finger in beide Richtungen wandern und streicht mit den Handflächen über die Oberfläche. Keine Risse, keine Nähte. Sie wendet sich nach rechts und hat in sechs Schritten die Wand erreicht. Wieder glatter Beton. Fragen flackern in ihrem Kopf auf, während sie die Kammer abgeht.
    »Beeilen Sie sich«, drängt Poe. »Ich erfriere.«
    »Nur zu«, brüllt sie zurück.
    Der Betonkeller misst ungefähr vierundzwanzig mal vierzehn Stiefellängen. Nicht einmal auf Zehenspitzen kann sie die Decke erreichen, um sie auf Träger oder Haken zu untersuchen. Sie ist auf keine Liege, keine Bettpfanne, auf keine Spur von dem gestoßen, was hier vorgegangen ist. Aber sie weiß es.
    »Reeve? Hallo? Könnten Sie endlich wieder heraufkommen?«
    Sie schiebt die Füße schlurfend über den Boden, bis sie an die Treppe stößt, und steigt hinauf. Dann steht sie wieder oben neben ihm. »Okay. Verschwinden wir.«
    »Haben Sie was gefunden?«
    »Nein. Es ist sauber geschrubbt.« Sie atmet die kalte Luft ein, schmeckt aber immer noch das Chlor.
    »Wirklich? Das ging ja schnell.«
    »Wann waren Sie denn das letzte Mal hier?«, fragt sie, während sie ihm ins Haus folgt.
    »Samstag, glaube ich. Ja, Samstag.«
    »Gab es da noch Strom?«
    »Jep, und es sah grausig aus. Ich war mit Paul Walters, dem Makler, hier. Er hat mir gesagt, dass er das Ding hier reinigen lassen will, und offenbar hat er Nägel mit Köpfen gemacht.«
    »Und die Hunde? Die waren doch letztes Wochenende hier, oder? Wann hat die Spurensicherung das Haus freigegeben?«
    »Einen Tag nach Vanderholts Erschießung, meine ich. Das müsste vergangenen Mittwoch gewesen sein.«
    Reeve wird still, während Poe das Haus abschließt und den Schlüssel wieder auf dem Türrahmen deponiert.
    »Okay«, sagt er und wischt sich die Hände an der Jeans ab. »Wir sind nie hier gewesen, richtig?«
    »Richtig«, antwortet sie und geht durch das Seitentor ums Haus.
    Er folgt ihr zum Jeep. »Hey, sehe ich da die Rädchen arbeiten? Was denken Sie?«
    Ihr Versprechen an Tilly im Sinn, fragt sie: »Was wissen Sie über Vanderholts Mörder?«
    »Man munkelt, dass er ein erfahrener Scharfschütze sein muss.«
    »Also vielleicht dazu ausgebildet?«
    »Kann sein. Militär zum Beispiel.«
    »Militär, okay.« Ohne ihren Blick von Poe zu nehmen, fügt sie hinzu: »Oder vielleicht Polizei?«
    Er schneidet ein Gesicht. »Wäre das nicht eine riesengroße Schweinerei?«
    Sie gibt ihm Zeit, darüber nachzusinnen, dann öffnet sie die Tür des Jeeps. »Wie lautet Ihre Theorie zu den vermissten Mädchen?«
    »Keine Ahnung, aber es macht mich wahnsinnig. Ich meine, eigentlich sollte man meinen, dass Vanderholt sie getötet hat, oder? Aber es gibt nirgends einen Hinweis darauf. Sie sind einfach verschwunden.«
    »Meinen Sie, er könnte einen Komplizen gehabt haben?«
    »Ja, könnte sein. Entweder das, oder wir haben es mit einem Trittbrettfahrer zu tun.«
    Sie legt den Kopf schief und sieht ihn an. »Okay. Danke für nichts.«
    »He – was?«
    »Die Führung, die nicht stattgefunden hat, war das nicht so?« Sie grinst und zieht die Tür weit auf.
    Poe erwidert das Grinsen. »Klar, stimmt. Bis dann.« Er geht auf seinen blauen Prius zu, bleibt dann aber noch einmal stehen. »Hey, Reeve«, ruft er. »Meinen Sie, Dr. Lerner würde mir ein Interview geben?«
    Sie winkt und fährt davon.

54. Kapitel
    D er lederne Bürostuhl im Überwachungsraum der Polizei von Jefferson ist für Kim Benioffs kleine Gestalt nicht optimal eingestellt, doch statt mit den Hebeln zu experimentieren, setzt sie sich kerzengerade auf, um die Daten auf dem Computerbildschirm zu studieren. Sie nutzt diese Einrichtung nicht oft, höchstens an Tagen, an denen alle Kollegen außer Haus sind.
    Einige Bestandteile der elektronischen Ausrüstung sind ihr gänzlich unbekannt. An den Wänden hängen Diplome und Zeugnisse, doch da Familienfotos und persönlicher Schnickschnack fehlen, wirkt der Raum steril. Obwohl alles sauber und staubfrei ist, fühlt sie sich nicht besonders wohl. Alles hier drin dünstet Testosteron aus.
    Sie schiebt sich eine dunkle Locke hinters Ohr, drängt das Unbehagen beiseite und konzentriert sich darauf, der Spur nachzugehen, auf

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