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Und Nachts die Angst

Und Nachts die Angst

Titel: Und Nachts die Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Norton
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mir aufgefallen.«
    »Vielleicht ist es besser, wenn wir umgezogen sind.«
    »Kann gut sein. Außerdem kriegst du zu Weihnachten bestimmt einen Haufen neuer Sachen.«
    Tilly bedenkt sie mit einem ungewohnt schelmischen Grinsen. »Ja, und rate mal.«
    »Was raten?«
    »Ich habe tolle Neuigkeiten«, lockt Tilly sie.
    »Na komm, worum geht es?«
    »Das rätst du nie.« Tilly geht zur Kommode und zieht eine Schublade auf. »Es ist endlich so weit!« Mit einem aufgeregten Quieken wirbelt sie herum und hält eine Schachtel Damenbinden in der Hand.
    Reeve klebt sich ein Lächeln ins Gesicht. Sie sagt die richtigen Dinge, ganz die nette große Schwester, so wie es von ihr vermutlich erwartet wird. Doch durch ihren Kopf trudeln Bilder, Gedanken fügen sich zusammen, und sie kann es kaum erwarten, sich zu verabschieden, um Nick Hudson anzurufen.

    Der Himmel öffnet seine Schleusen, und es beginnt zu regnen, als Reeve aus der Stadt hinausfährt. Sie nestelt an den Schaltern, um die Scheibenwischer einzuschalten, und steuert dabei versehentlich zu weit nach links, so dass die Reifen die Warnmarkierung auf dem Mittelstreifen berühren. Sie reißt das Steuer herum, zurück auf die Spur, als ein riesiger Sattelschlepper sie überholt und ihre Windschutzscheibe in Sprühnebel einhüllt, so dass sie das Tempo drosseln muss. Sie packt das Lenkrad so fest, dass die Knöchel hervortreten. Die Interstate fällt ab, verläuft einen Moment lang gerade über die Brücke, die sich über den Jefferson Lake spannt, nur um dann wieder in weiten Schleifen an Höhe zu gewinnen. Um die Ausfahrt nicht zu verpassen, bleibt sie auf der langsamen Spur und lässt sich, zwischen zwei Sattelzügen eingekesselt, mit dem nordwärts fließenden Verkehr in die Wildnis tragen. Der glitschige Asphalt verschwimmt vor ihren Augen. Straßenschilder sausen vorbei. Plötzlich verunsichert, ob sie nicht längst zu weit gefahren ist, nimmt sie sich vor, bei nächster Gelegenheit abzufahren, und dann ist sie plötzlich da, die richtige Ausfahrt, und sie setzt den Blinker, fährt vom Highway herunter und rollt auf die Old Cedar Road.
    Erleichtert biegt sie auf den mit Unkraut überwachsenen Parkplatz der verlassenen Tankstelle, um sich etwas zu sammeln. Sie gleicht die Karte auf dem Handy mit der aus Emily Ewings Büro ab.
    Dass Hudson noch immer nicht zurückgerufen hat, ist ihr überdeutlich bewusst, und sie sitzt einen langen Augenblick da und ringt mit sich. Der Motor läuft, die Scheibenwischer wischen. Schließlich gibt sie eine Nachricht ein.
    Nick, tut mir leid, aber ich mache mich auf die Suche nach dem Haus, wo man auf mich geschossen hat. Keine Sorge und nicht sauer werden. Ich passe auf mich auf. Ich such einfach die Adresse und mache ein Foto.
    Sie hält die Luft an und drückt auf »Senden«.
    Als Tilly ihr eben so stolz die bunte Kotex-Packung gezeigt hat, war eine Erinnerung aufgeflackert. Sie ist sicher – oder fast sicher –, dass sie zwischen all dem Unrat, der um das Häuschen wehte, auch die auffällige Plastikumhüllung von Monatsbinden gesehen hat.
    Vielleicht heißt das gar nichts. Vielleicht hat der Kerl mit dem Gewehr eine Frau oder Freundin. Aber warum auf sie schießen?
    Der Gedanke an das Gewehr lässt sie frösteln. Ich hab das Recht, mein Eigentum zu schützen!
    Regen platscht auf die Windschutzscheibe, und sie starrt hinaus, umklammert das Telefon und versucht, Nick durch Willenskraft dazu zu bewegen, sie endlich zurückzurufen. Ob sie den Weg wieder findet? Sie macht die Augen zu und versucht sich das Haus genau vorzustellen. Es hatte ein ungewöhnlich solide aussehendes Fundament – einen Sockel aus Beton, wie es aussah, und die Lüftungsschlitze waren mit Maschendraht verdeckt. Und ist es nicht irgendwie unheimlich, dass sowohl das Haus an der Tevis Ranch Road als auch die alte Hütte im Wald einen verdammt neu aussehenden Maschendrahtzaun hatten?
    Sie schaltet das Deckenlicht an und studiert erneut die Karte. Als sie glaubt, den Weg in etwa im Kopf zu haben, legt sie den Gang ein und fährt behutsam zurück auf die Straße, doch als sie Gas gibt, leuchtet die gelbe Lampe auf, die sie warnt, dass sie auf Reserve fährt.
    In diesem Moment klingelt das Telefon. Sie behält die Straße im Auge und nimmt den Anruf an, ohne aufs Display zu sehen, da sie davon ausgeht, dass es endlich Nick Hudson ist.
    Stattdessen hört sie eine vertraute heisere Stimme aus der Vergangenheit. »Hallo, meine kleine Grille.«
    Ihre Eingeweide bäumen sich

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