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Und Nachts die Angst

Und Nachts die Angst

Titel: Und Nachts die Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Norton
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und der kalte Wind zerrt an ihr. Unter ihr sprudelt und rauscht der Fluss. Sie blickt hinab ins grüngraue Wasser, lässt sich nieder und zieht die Knie an die Brust. Unbewusst streichen ihre Finger über den Stiefelschaft, und sie empfindet flüchtigen Trost, als sie den Handschellenschlüssel spürt, der unter der Zunge versteckt liegt.
    Und dann ist das Phantom, vor dem sie geflohen ist, da. Tillys Peiniger verwandelt sich in ein anderes Monster mit dunklen Augen, und sie riecht seinen Gestank, sieht die feuchten Lippen, den schmierigen Bart. Ihr wird schummerig, und als Daryl Wayne Flint seine Nase an ihrem Ohr reibt, lässt sie ihre Beine über die Felskante baumeln und starrt in den Fluss tief unter ihr.
    Ihre Kehle zieht sich zu. »Du widerwärtiges Schwein«, krächzt sie, greift in die steinige Erde neben sich und schleudert die Handvoll in die Leere hinaus.
    »Vier Jahre Gefangenschaft.« Sie schleudert einen Stein. »Sechs Jahre Therapie!« Unter Tränen wirft sie noch einen Stein und noch einen. »Ein ganzes beschissenes Jahrzehnt meines beschissenen Lebens!«
    Sie schleudert eine Handvoll Steine über die Kante und sieht zu, wie sie im Strom versinken, dann kommt sie auf die Füße, stolpert an der Kante entlang und sucht weitere. Sie wirft alles, was herumliegt – Kies, tote Äste, Brocken, so groß wie Melonen –, und hört erst auf, als weit und breit nichts mehr zu finden ist.
    Erhitzt und keuchend steht sie da. Ein einzelner Regentropfen platscht ihr auf die Wange, und sie blickt stirnrunzelnd zum Himmel hinauf, als erwache sie gerade aus einer Trance. Sie sieht die düsteren Wolken und macht sich bewusst, dass sie sich beeilen muss, wenn sie nicht in ein Unwetter geraten will.

35. Kapitel
    N ach jedem Verbrechen, besonders nach Morden, stehen Aufräumarbeiten an, und weil Duke das weiß, plant er seine Verbrechen akribisch. Natürlich gehört das passende Alibi dazu, deshalb glauben Dukes Kollegen beispielsweise, dass er gerade zum Spielen in Reno weilt.
    Am Tag von Randy Vander-Depps Verhaftung hat Duke seinen Antrag auf Urlaub eingereicht und ihn einen Tag nach dessen Tod angetreten. Nicht die idealen Bedingungen, aber als er den Urlaubsplan der Abteilung gesehen hat, war ihm klar, dass es notwendig war. Ein kalkuliertes Risiko.
    Vor dem Abschied im Büro hat Duke hier und da mit einem dicken Geldbündel gewedelt. Jeder weiß, dass seine Eltern ihm ein hübsches Sümmchen vererbt haben, und da Dukes Kollegen seit Jahren seine spontanen Casinoausflüge nach Vegas oder Reno kennen, staunt keiner mehr über diese Last-Minute-Trips. Man hält ihn für einen, der auf Risiko spielt, und ihm gefällt dieses Image.
    Vor Jahren, als er noch ein junger Mann war und sich die Hörner abstoßen musste, verbrachte er tatsächlich einige Zeit in Vegas. Die Stadt war sein ganz privater Spielplatz, auf dem er seine eigenen Regeln aufstellte, und er tobte sich nach Herzenslust darauf aus, indem er jede Art von Frischfleisch ausprobierte, das es zu kaufen gab. Im Laufe seiner Experimente gelangte er zu ganz neuen sexuellen Höhen, musste jedoch bald feststellen, dass er danach lieber in Ruhe den Nachhall des Erlebten auskostete, statt sich mit den Folgen oder Klagen auseinanderzusetzen.
    Eine weinerliche Hure provozierte ihn derart, dass er sie würgen musste, bis sie die Klappe hielt. Allerdings bereute er den Kontrollverlust sofort, denn Mord, wie er erfahren musste, war ein schmutziges Geschäft. Einen Menschen umzubringen macht sehr viel mehr Arbeit, als, sagen wir, einen Hund oder einen Hirsch zu töten.
    Noch heute beunruhigt es ihn, wie leicht ihn die Polizei hätte erwischen können. Er war so unbesonnen gewesen. Und die Leiche loszuwerden erwies sich als derart schwierig und unappetitlich, dass es das Vergnügen, das er vor ihrem Tod gehabt hatte, vollständig aufhob.
    Auf der Heimfahrt von jenem chaotischen Vegas-Ausflug ging er die gesamte Episode immer wieder durch. Er musste sich eine weniger riskante Methode ausdenken, um seinen Vorlieben nachzugehen.
    Hunderte von Meilen fuhr er, rauchte und dachte darüber nach. Wog Risiken gegen Rendite ab. Schon damals besaß er eine hübsche Sammlung an Überwachungsequipment der neuesten Technik, aber obwohl Zusehen durchaus interessant sein konnte, war es doch nur ein trauriger Ersatz für Erfahrungen aus erster Hand.
    In Barstow hielt er zum Tanken. Während er Benzin zapfte, bog ein anderer Wagen auf die Raststätte und hielt. Die Tür ging auf, und ein

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