Und Nachts die Angst
Gewehr ist eine erprobte, zuverlässige Waffe. Sie loswerden zu müssen ärgert ihn sehr.
Es lag nahe, das Lagerhaus zu benutzen. Es stand schon ewig leer. Emily Ewings ehemaliger Angestellter, Skeeter Jones, hatte es ihm neben fünf anderen Gewerbeobjekten und zwölf Häusern gezeigt, von denen er vier gekauft hatte. Alles gute Geschäfte. Alle mit Keller. Alle legal und sauber und schwer zu finden.
Duke hatte natürlich falsche Ausweise dabei, als er sich mit den Notaren in Reno traf. Die ersten drei Häuser hatte er im Namen einer Firma erstanden, als dessen Bevollmächtigter ein babygesichtiger Loser namens Yow fungierte. Für Fitzgeralds Haus aber änderte er die Strategie, da er es inzwischen für klüger hielt, für jeden neuen Kauf auch eine neue Gesellschaft zu gründen. Duke übte die Unterschriften vor jedem Vertragsabschluss und unterzeichnete in einer schwungvollen Bewegung.
Mit Anwälten und Notaren umzugehen ist eine heikle Geschichte, aber falls nötig, kann Duke immer noch Yow loswerden. Der Bursche wirkt wie ein Spieler, und seinem schäbigen Anzug und der Schrottkarre nach zu schließen, hat er ernsthafte Geldprobleme. Solche Typen verschwinden doch andauernd.
Duke hat auch überlegt, Clyde Pierson zu beseitigen, aber das hätte ihm einiges an Kopfschmerzen bereitet. Im Übrigen – warum sein Glück überstrapazieren? Keiner der Aufseher kennt seine wahre Identität. Falls Vanderholt wirklich etwas von einem Mitverschwörer gefaselt hat, falls er vorhatte, eine Beschreibung von ihm abzuliefern, dann hat Duke ihn rechtzeitig erwischt, bevor Pierson einen Deal aushandeln konnte. Vander-Depp konnte nur mehr Blut ausspucken.
Auf halber Strecke zum Haus bleibt Duke stehen, um sich eine Zigarette anzuzünden. Er sieht sich um und entdeckt den dicken, verrotteten Stumpf einer alten Eiche. Er stützt den Absatz eines Stiefels auf dem Stumpf ab und raucht genüsslich.
Da Duke jemand ist, der feine Ironie zu schätzen weiß, erlaubt er sich ein kleines Lachen über die Tatsache, dass trotz des hohen Polizeiaufkommens in diesem Fall die einzige lebende Person, die ihm auch nur annähernd auf die Schliche kommen könnte, ausgerechnet diese neugierige kleine Fotze ist, die von nichts eine Ahnung hat und nicht einmal besonders helle im Kopf ist.
Er hat viel über Reggie LeClaire nachgedacht und weiß inzwischen, wie er sie am besten loswird. Er hat einen Plan ausgearbeitet, wie er seine Bedürfnisse stillen kann, ohne einen neuen Aufseher ködern und kontrollieren zu müssen. Das Risiko ist vertretbar, und nachher kann er sich des Mädchens entledigen, ohne dass auch nur der Hauch einer Spur zurückbleibt.
Wenn das keine Ironie des Schicksals ist.
47. Kapitel
W ieder hat sich Reeve vom Labyrinth der Einbahnstraßen in der Innenstadt in die Irre führen lassen. Nachdem sie beinahe in den Gegenverkehr eingebogen wäre, hat sie den Wagen schließlich weit unten am Hang geparkt und schnauft heftig, als sie endlich oben am richtigen Block angekommen ist. Als sie sich Buster Ewing Realty nähert, sieht sie, dass der Parkplatz leer und das fröhliche »Wir haben geöffnet«-Schild weg ist. Das Gebäude wirkt wie ausgestorben.
Reeve steht verärgert auf der Veranda. Sie hat Emily Ewing drei Nachrichten hinterlassen, aber keine Reaktion bekommen. Vielleicht ist es das, was passiert, wenn man versucht, einer Maklerin Informationen aus dem Kreuz zu leiern, statt sich für ein Haus zu interessieren.
Sie zieht die Visitenkarte aus ihrem Portemonnaie und versucht es noch einmal auf Emilys Handy. Als sie keine Antwort bekommt, gibt sie die Geschäftsnummer ein. Sie hört das Telefon innen klingeln und dann, zu ihrer Überraschung, eine tonlose Frauenstimme. »Hallo?«
»Oh, hallo. Haben Sie geöffnet? Ich stehe draußen.« Reeve legt die Hände ans Fenster und späht hinein.
Eine Frau dreht sich um und starrt sie an. »Was wollen Sie?«
»Ich, ähm, wollte zu Emily.«
Die Frau legt auf, und Reeve kommt sich vor, als hätte man sie geohrfeigt. Aber einen Moment später geht die Tür auf, und Reeve steht vor einer jungen Frau mit roten verquollenen Augen. »Bitte verzeihen Sie«, sagt sie. »Wer sind Sie?«
»Nicole, Emilys Assistentin.«
»Ähm, könnte ich mit Emily sprechen?«
»Emily ist tot.«
Bevor Reeve die Nachricht erfassen kann, schwankt Nicole und droht zu fallen, aber Reeve greift sie unter den Armen und steuert sie behutsam ins Büro.
»Es tut mir leid … Ich bin so fertig«, murmelt Nicole.
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