Und Nachts die Angst
Familie zu begrüßen.
Einige Stunden später sieht Emily Ewing auf die Uhr und seufzt. Hätte sie heute etwas anders machen können?
Ja, wahrscheinlich. Bei der übergewichtigen Familie, die sich über den zu kleinen Kühlschrank beschwert hat, hätte sie erwähnen können, dass man einen weiteren in der Garage unterbringen könnte. Und bei dem älteren Pärchen, das den Koi-Teich nicht ausstehen konnte, wäre es wohl besser gewesen, sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr sie der Gedanke entsetzt hatte, ihn »mit Beton aufzufüllen und einen Schuppen darauf zu errichten«.
Sie sieht sich um. Es ist ein tolles Haus. Es hat Leute verdient, die es lieben.
Sie wirft die Blumen weg, da sie weiß, dass sie frühestens in ein paar Tagen, vielleicht erst nach Wochen wiederkommen wird, und es gibt nichts Deprimierenderes als eine Vase mit verwelkten Blumen. Sie füllt die sechs übrig gebliebenen Kekse in eine Plastiktüte und nimmt sie mit hinaus zu ihrem Wagen.
Der Regen hat nachgelassen, aber der Boden ist matschig, und die Abenddämmerung verdunkelt den Himmel. Sie schlingt sich den Mantel fester um den Körper und nimmt sich vor, im kommenden Jahr im Herbst und Winter die Besichtigungszeiten zu verkürzen, bis die Tage im Frühling wieder länger werden.
Sie holt ihr Schild vom unteren Ende der steilen Auffahrt und verstaut es gerade im Kofferraum, als sich ein Fahrzeug nähert. Sie hält inne und blinzelt. Die Limousine parkt, die Scheinwerfer verlöschen, die Tür geht auf, und sie sieht zunächst nur Cowboystiefel, die auf den Boden aufsetzen. Der dazugehörige Besitzer schält sich aus dem Wagen und steht fast, beugt sich noch einmal ins Auto, um sich dann endlich zu voller Größe aufzurichten und sich einen taubengrauen Cowboyhut auf den Kopf zu setzen.
Er drückt die Tür zu und grinst sie an. »Hallöchen. Ich bin doch hoffentlich nicht zu spät dran?«
Duke kann sehr charmant sein, wenn er will. Er lächelt und flirtet, während er der Maklerin ins Haus folgt. Er habe die Anzeige gerade erst gesehen, sagt er, und dieses Haus könnte wie für ihn geschaffen sein.
»Was machen Sie denn?«, fragt Emily Ewing und schaltet die Lichter an.
»Ich bin Ingenieur. Aus Colorado. Hab mein Geschäft verkauft und will mich hier in Jefferson niederlassen. Ich möchte in der Nähe der Berge leben, aber ich hab es satt, immer Schnee zu schaufeln. Hier schneit’s nicht viel, oder?«
Sie versichert ihm, dass es nur selten Schnee gibt. Während er ihr hinterhertrottet, weist sie ihn auf die Besonderheiten des Hauses hin, auf den Holzboden aus brasilianischer Kirsche, die importierten Fliesen, das sechsundfünfzig Quadratmeter große Schlafzimmer.
In der Küche bewundert er die Granitarbeitsfläche, ohne die Hand zu heben und sie zu berühren. Er berührt gar nichts und trägt noch immer seine Handschuhe.
»Ich habe auch draußen gerne Platz um mich herum«, sagt er und blickt durch die deckenhohen Fenstertüren. »Wie ist der Garten?«
»Den zeige ich Ihnen nur allzu gerne.« Sie öffnet die Türen. »Das Grundstück hat zwei Hektar, und seine Gestaltung ist wirklich das Beste an diesem Objekt. Alle Pflanzen hier sind wildresistent und indigen, und die gesamte Anlage ist einfach großartig durchdacht.«
Er folgt ihren klackenden Absätzen auf die Terrasse hinaus. »Ein Whirlpool? Traumhaft! Und keine Nachbarn weit und breit, richtig?«
Sie lächelt. »Nicht in der Nähe, nein. Das Haus liegt sehr abgeschieden.«
Sie steigen ein paar Stufen hinab, und sie führt ihn zu dem Koi-Teich. »Das hier ist meiner Meinung nach das Schönste an diesem Haus.«
Im klaren Wasser sind einige bunte Fische zu sehen. Sie schwimmen herbei und öffnen und schließen die Mäuler mit den auffälligen Barteln. Immer mehr schwimmen heran, weiße, schwarze, orangefarbene, drängen sich dicht an der Oberfläche und küssen in der Hoffnung auf Futter hungrig das Wasser.
»Soll das ein Witz sein?«, ruft er entzückt aus. »Sind das – wie heißen die noch? Japanische Karpfen?«
Sie strahlt ihn an. »Ja. Oder Koi. Das ist dasselbe.«
»Wow, großartig. Und die gehören zum Haus?«
Sie bestätigt das lächelnd und zeigt auf ein Exemplar. »Sehen Sie diese Zeichnung? Die macht den Fisch ziemlich wertvoll.«
»Sieh sich das mal einer an.« Er geht in die Hocke und legt eine Hand auf einen softballgroßen Stein, als wolle er sich abstützen, während er ihn behutsam lockert. »Und wie viele, denken Sie, haben wir hier? Zehn?
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