Und nehmen was kommt
zu sich und anderen hart ist, sich ihrer zu erwehren weiß, durchs bloße Auftreten, mit Fäusten, mit Drohworten.
Sich ausreden wollen, nachdenklich sein, wird von den meisten dagegen als Schwäche ausgelegt. Monika hütet sich, macht weiter alles mit sich allein aus. Sie sieht, spürt, daß der sanfte, schüchterne Jaroslav zum Prügelknaben zu werden droht, sobald ihre schützende Hand nicht in Sichtweite ist. Deshalb beschließt sie, den Radius ihrer Hand bei nächster Gelegenheit durch ein abschreckendes Beispiel zu verlängern: Es soll sich herumsprechen, daß Mißhandlungen des Bruders gerächt werden, unbarmherzig gerächt werden, ganz egal, ob sich Monika in der Nähe befindet oder nicht.
Der Bursche ist schon im Stimmbruch, ein paar Jahre älter als Jaroslav, älter auch als Monika. Aus nichtigem Anlaß, Jaroslav weigerte sich, seine Packung Kaugummi herauszurücken, hat Karel die Faust in der Magengrube des Kleineren versenkt, daß dem die Luft wegblieb, und sich dann einfach bedient. Als die Schwester Wind bekommt davon, verstärkt sie sich mit einem ihrer Verehrer, den sie, wie alle, nicht an sich heranläßt, aber benützt, wenn sie Unterstützung braucht. Er darf aber nur Assistenzdienste leisten, als sie Karel ansatzlos am Haarschopf packt, den Kopf nach unten drückt und ihn so ins Mädchenklo schleift. Sie tunkt ihn mit dem Gesicht in die Muschel und fordert den Freund auf, ihm ins Genick und auf die Haare zu pissen. Das Opfer verschluckt sich, fängt an zu heulen, erntet dafür einen Tritt mit dem Mädchenknie ins Kreuz. Jetzt noch die Spülung, sie reißt ihn hoch und beschließt die Strafaktion mit Schlägen in die blöde Karelfresse, links und rechts, links und rechts.
Monika beschließt vergeblich, auch ohne ihren Uhu Kind bleiben zu wollen, auf jeden Fall keine Frau zu werden. Die ihr nachstellen, riechen schon nach Mann, das ist ihr zuwider, macht ihr Angst. Sie würdigt den Spiegel keines Blickes, ihr Äußeres ist ihr kein Anliegen, sie ist nicht eitel. Aber ihre ebenmäßigen Gesichtszüge, die lebhaften, leuchtenden dunklen Augen, das volle blauschwarze Haar üben auch ohne ihr Zutun Wirkung aus. Die ersten Achselhaare, der Flaum auf beiden Seiten der Spalte, die zum Wasserlassen da ist, sind ihr unangenehm, sie weiß, so sehen die älteren Mädchen aus, sie weiß, es werden ihr bald Brüste wachsen, das Gewebe rund um die Warzenhöfe zieht und zerrt, fühlt sich anders an als gewohnt.
Doch dann geht etwas kaputt in ihrem Körper. Wo sonst der blaßgelbe Strahl herausrinnt, ist alles voller Blut. Es muß mitten in der Nacht gekommen sein, sie hat es nicht einmal bemerkt. Blut in der Unterhose, in der Bettwäsche, der Unterleib schmerzt. Und wie er schmerzt. Sie krümmt sich, bittet das Mädchen neben ihr, Hilfe zu holen, vielleicht muß sie sterben, darf sie sterben. Ein kurzer prüfender Blick zwischen die Beine, dann schlägt Martina vor: Setz dich einmal auf. Monika gehorcht. Die Nachbarin holt kurz aus, versetzt ihr eine saftige Ohrfeige. Siehst du, schon tut dir der Bauch weniger weh, du Dummerchen. Monika weiß nicht, wie ihr geschieht, soll sie heulen, sich unter die Decke verkriechen, zurückschlagen? Sie sitzt da mit offenem Mund, die Hand an der schmerzenden Wange. In dieser Haltung erfährt sie, daß das ganz normal ist, daß das alle paar Wochen wiederkommen wird und wo die Binden lagern, die solche Sauereien verhindern. Hast du das bei uns anderen noch nicht mitbekommen, lebst du hinter dem Mond? Monika hat es nicht mitbekommen, sie lebt hinter dem Mond.
Monika kriegt vieles nicht mit, und wenn sie etwas erfährt, dann selten so, daß sie sich einen Reim darauf machen kann. Als Kleinkind hat sie manchmal gefragt, warum das so ist, aber sie erhielt kaum je brauchbare Antworten. Allmählich hat sie sich das Fragen nach den Gründen, nach dem Sinn und Zweck abgewöhnt. Sie weiß jetzt, sie wird einmal im Monat bluten wie eine abgestochene Sau, weil das eben so ist bei den Frauen. Verrückt.
Dann müssen einige Romakinder zur Heimleitung. Das geschieht fast nie, und die Aufregung darüber ist groß. Der stets freundliche Direktor dient Monika nicht als Feindbild, ganz im Gegenteil, gemaßregelt werden die Kinder nämlich von seinen Untergebenen. Er steht hoch über den Dingen, scheint sich überall auszukennen, das imponiert ihr mächtig, auch wenn sie das meiste nicht wirklich versteht. Er redet gern viel von Gesetzen und Regeln, was sein darf und was nicht sein darf.
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