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Und nehmen was kommt

Und nehmen was kommt

Titel: Und nehmen was kommt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Laher
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irgendwie süßlich-faul nach einer Mischung aus Vergangenheit, feuchtem Holz, verdorbenen Lebensmitteln und Räucherstäbchen. Im Bad besetzen ganze Batterien von Kosmetika jeden freien Fleck, viele von einer dicken Staubschicht überzogen. Monika schaut sich lange in den Spiegel, um sich zu vergewissern, daß sie tatsächlich an diesem wenig einladenden Ort gelandet ist, genauso zufällig wohl wie das Trödelzeug, mit dem Zuzanas Freund offensichtlich seinen Lebensunterhalt bestreitet.
    Zuzana hat sich sehr verändert. Schmal wirkt sie und blaß, wenn man bei einer Romni überhaupt von blaß reden kann, fahrig, das Gesicht voll mühsam abgedeckter Pickel. Kaum setzt sie sich hin, steht sie schon wieder auf, geht im Raum umher, die Zigaretten dämpft sie nach wenigen Zügen energisch aus, reißt das Papier auf, zermalmt den Tabak zwischen den Fingern. Sie zwinkert dauernd, kann die Lider nicht offen halten. Wir sollten uns etwas Gutes tun nach all den Aufregungen, hm, meint sie schließlich und kramt eine Spritze aus der Tischlade. Ist Speed, einwandfreie Qualität, hast du dir’s schon über die Nadel gegeben?
    Monika hat keinerlei Drogenerfahrungen. Selbst als sie sich einmal für drei Wochen aus dem Heim verdrückte, die letzten Tage von Junkies und Alkoholikern unter die Fittiche genommen wurde, warmherzige Menschen waren das, hat sie sich konsequent von dem Suchtzeug ferngehalten, aus Scheu, vor allem aber aus Abscheu. An diesem Abend, an dem sie nach all den Tiefschlägen genauso gut, von Güterzugrädern bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt, auf der Gerichtsmedizin liegen könnte, scheinen ihr die alten Vorsätze geradezu lächerlich. Sie will, daß es ihr besser geht, und zwar jetzt, sofort, auf die Zukunft pfeift sie. Sie wünscht sich, so lange es sie noch gibt, ernstgenommen zu werden, das geht aber nur, wenn sie sich wie im Heim Respekt verschafft, stark ist, hart. Ehrlichkeit, Zurückhaltung, Vorsicht sind nichts als ein gefundenes Fressen für Leute wie Kristyna und Emil.
    Immer nur durch die Nase, antwortet Monika mit gespielter Lässigkeit, und meistens Koks. Kein Vergleich, winkt Zuzana ab, aus Vorfreude wohl huscht zum ersten Mal ein Lächeln über ihr Gesicht, mit der Spritze zieht das Zeug echt hurtig ins Hirn, so schnell kannst du gar nicht schauen, glaub mir’s. Monika erhält auf der Stelle den nötigen Unterricht, und bald ist sie überzeugt, daß das Schicksal es gut gemeint hat mit ihr in der Telefonzelle: Das Leben ist schön, was heißt schön, saugeil kann es sein, auch wenn man nichts hat und nichts ist.
    Geblödelt wird bis zum Abwinken, und als spät in der Nacht die Schwestern eine nach der anderen heimkommen, ist erst einmal Tanzen angesagt. Man macht sich gemeinsam auf den Weg in die Disco. Alles ist so intensiv, so klar, so unmittelbar, die flüchtigen Blickkontakte, die Vibrationen aus den Lautsprechern, die Mixtur aus Düften und Schweiß, das Spiel mit dem Licht, die Drinks, die Bewegungen auf der Tanzfläche. Als Monika einschlafen will, sind seit dem letzten Aufstehen mehr als vierundzwanzig Stunden vergangen, unendlich viel ist passiert seither. Sie ist wieder einigermaßen nüchtern, es geht ihr nicht wirklich schlecht, erstaunt ist sie, verwirrt, schlafen kann sie nicht.
    Die nächsten Tage gewinnt Monika einen ersten Überblick: Speed ist allgegenwärtig in diesem Haushalt, den dreien geht es ohne regelmäßige Dosis sauschlecht. Sauschlecht geht es ihnen auch finanziell, das Zeug kostet, einen normalen Job hat keine von ihnen, sie stellen sich an den Straßenrand und nehmen, was kommt. Die Schwestern sind großzügig, teilen das wenige, das sie haben, mit Monika, lassen sie auf einer Luftmatratze im Zimmer von Tereza und Jana schlafen, den beiden jüngeren. Monika revanchiert sich nach Kräften, kümmert sich um die Wohnung, beseitigt die ärgste Unordnung.
    Sie lernt Petr kennen, der regelmäßig Trödelmärkte bereist und nur wenig zuhause ist. Er dürfte nicht viel Freude mit Monikas Anwesenheit haben, spricht kaum mit ihr, aber auch mit Zuzana ist er meistens kurz angebunden, und mürrisch wirkt er obendrein. Praktisch zu allen Tages- und Nachtzeiten erscheint er manchmal mit Kunden, die an Speziellem interessiert sind, das, wie Zuzana kryptisch erklärt, eine problematische Herkunft hat und deshalb nur hier begutachtet werden kann.
    So vergeht die erste Woche. Noch zieht Monika einen in ihren Augen klaren Trennstrich: Sie hat sich bisher höchstens dreimal, nein,

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