Und nehmen was kommt
viermal eine Amphetaminladung gesetzt, während die Schwestern keinen Tag ohne Drogen vergehen lassen, und auf die Straße wird sie unter keinen Umständen gehen, lieber unter den Zug. Nein, sie ist nicht so kaputt wie die drei, sagt sie sich, bei weitem nicht. Pläne aber hat sie keine, sie weiß nach wie vor nicht wohin, das ängstigt sie freilich nur, wenn sie nüchtern ist. Auf Speed dagegen geht es ihr ausgezeichnet, kaum setzt die Wirkung ein, ist ihr mit einem Schlag alles gleichgültig, Gefühle und Gedanken, die über den Moment hinausreichen, sind weggeblasen. Eine große Gelassenheit überkommt sie. Egal, egal, egal, stößt sie heraus aus sich, scheißegal. Und was am besten ist: Auch daß sie ohne praktisches Wissen und vernünftige Perspektiven mutterseelenallein dasteht in dieser Welt voller Fallen und Verschlagenheit, es ist sowas von egal. Auf Speed fühlt Monika sich so stark, wie sie sein will, sie strotzt vor Selbstvertrauen, Bäume ausreißen könnte sie. Und hart sein, zu anderen, zu sich.
Dann erklärt Zuzana ihr beiläufig, man werde nicht darum herumkommen, die meisten Möbel zu versetzen, weil die Geschäfte derzeit nicht genug einbringen und der Dealer, an sich ein netter Mensch, die Schulden nicht mehr stunden will. Er stellt seine Garage zur Verfügung, ein paar Wochen haben wir dann Zeit, unsere Sachen wieder auszulösen, sonst macht er sie zu Geld. Kann Petr denn nicht aushelfen? fragt Monika. Zuzana winkt ab. Wir arbeiten auf getrennte Rechnung, sagt sie.
Nur die Betten, drei Stühle und der wackelige Eßtisch bleiben zurück vom beweglichen Mobiliar. Zwei kräftige junge Männer, offensichtlich gut bekannt mit den Schwestern, sind mit einem Pritschenwagen vorgefahren, laden die Schränke, ein Sofa samt Beistelltisch, zwei Teppiche, eine Truhe, die Kredenz, sogar den großen Vorzimmerspiegel auf. Dafür vergrößern jetzt ungeordnete Wäschehaufen, aus denen zerknitterte Plastiktaschen ragen, das Durcheinander in den Zimmern, in Obstkisten verfrachtete Töpfe, Teller, Tassen, Lebens- und Scheuermittel stehen auf dem Küchenboden neben dem Fernseher, der fast ununterbrochen läuft. Nippesstücke von der kleinen Buddhastatue aus Jade über eine Blechdose voller Glasmurmeln bis zum betagten Neujahrsglücksschwein haben zunächst auf den Fensterbrettern Asyl gefunden, aber da sich so die Fenster nicht mehr öffnen ließen, drängen sie sich jetzt in einer Schachtel unter Zuzanas Bett. Alles an dieser Umgebung signalisiert Monika Vorläufigkeit, Uneingerichtetheit, dünnen Boden. Ihr ist das recht, alles ist in Schwebe.
Einige Tage später sitzen Monika und Zuzana zu Mittag in der Küche und frühstücken gerade lustlos weiches Toastbrot mit Margarine und Kaffee. In diesem Haus wird überhaupt nur wenig gegessen, Nebeneffekt regelmäßigen Speedgenusses ist das. Plötzlich sind draußen Stimmen zu hören. Petr hat angekündigt, er erwarte heute einen guten Kunden, der an einigen der wertvolleren Antiquitäten interessiert sei, vor allem an den Bildern im Vorzimmer. Monika hat die mit der Vorderseite zur Wand gelehnten Tafeln genau betrachtet, als sie einmal allein in der Wohnung war. Verschiedene Bibelszenen sind darauf zu sehen, wie in der Kirche. Ihr gefallen diese Darstellungen, sie würde gern mehr darüber wissen.
Der Kunde, ein älterer, feingliedriger Herr, elegant angezogen und wortgewandt, nimmt die Bilder fachmännisch unter die Lupe. Während Petr ihm die einzelnen Stücke zeigt, erscheint Monika neugierig im Türrahmen. Sie trägt über der Unterwäsche bloß ein weites rotes Longshirt, das fast bis zu den Knien reicht. Spielbein, Standbein, steht sie in klassischer Positur barfuß an den Türrahmen gelehnt, die Arme hinter dem Rücken verschränkt, das lange, leicht gewellte Haar offen, den Kopf zur Schulter geneigt, um mehr zu sehen. Der Mann scheint nicht nur für die Kunstgegenstände ein Auge zu haben, immer wieder wendet er sich Monika zu und lächelt sie auffällig an, bis sie wieder in die Küche verschwindet, weil ihr das unangenehm ist.
Kurz darauf ruft Petr Zuzana hinaus. Stell dir vor, sagt sie begeistert, als sie zurückkommt, und schließt die Küchentür leise hinter sich, der möchte nicht nur ein paar von den Bildern, sondern auch dich. Ein Glückstag ist das. Geh rüber ins Zimmer, ich hab ein bißchen aufgeräumt, und blas ihm schnell einen, er zahlt gut und ist sauber, wir kennen ihn. Wenn du schon nicht auf die Straße gehen willst, so eine
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