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Und nehmen was kommt

Und nehmen was kommt

Titel: Und nehmen was kommt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Laher
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bevor es sich nicht mehr vermeiden läßt, daß der Kerl, wie Barbora sich ausdrückt, seinen geschissenen Schwanz erfolgreich in sie versenkt. Ich besorge noch schnell Kondome, ist eine beliebte Variante, um den Typ am Tresen dumm sterben zu lassen. Ich muß noch kurz anrufen, daß es länger dauern wird, eignet sich genauso gut, und leiht dir der Mann gar sein Mobiltelefon, gehst du, weil es zu laut ist im Lokal, kurz vor die Tür. Das Handy faßt du am besten als Trinkgeld auf.
    Und wenn die wiederkommen und ungemütlich werden? Barbora macht eine verächtliche Handbewegung. Die haben fast alle eine Heidenangst vor unseren Beschützern. Aber hauen wir uns da nicht das Geschäft zusammen, will Monika wissen, weil sie dann lieber in die Clubs gehen und wir uns hier den Arsch abfrieren? Du möchtest so schnell wie möglich heraus aus dieser Scheiße, ich möchte das auch, immer noch, meint Barbora ungerührt. Schauen wir auf uns, bis die Chance dazu kommt, und zerbrechen wir uns nicht die Köpfe von denen, die an uns mächtig verdienen.
    Es ist tatsächlich arschkalt geworden. Seit Herbstanfang steht Monika auf der Straße, jetzt steht das Jahr 2000 unmittelbar vor der Tür. Sie hat einiges eingesteckt in diesen Monaten, eine gewisse Routine gewonnen, sie hat sich an die tägliche und nächtliche Gleichförmigkeit ihres Lebens gewöhnt, an die ewige Unruhe und die Amphetamine in ihr. In ihrem Auftreten hat sie ohne Zweifel an Sicherheit gewonnen, aber sie tritt nur auf, wo sie nicht auftreten will, und die restliche Welt dreht sich, scheint’s, ohne ihre Anteilnahme. In den Tagen vor den Milleniumsfeiern registriert sie zwar etwas von dem aufgedrehten Klima, der Fiebrigkeit der Leute, Zeitgenossen eines vermeintlich außerordentlichen Ereignisses zu werden, aber von den dieser Tage in allen Medien gehypten Bedrohungen des Y2K -Problems zum Beispiel, die sogar Nostradamus’ düstere Prophezeiungen so alt aussehen lassen, wie sie sind, nimmt Monika, noch nie ist sie vor einem Computer gesessen, keinerlei Notiz. Sie liest keine Zeitungen, hört den Nachrichten in Fernsehen und Radio nicht zu, weniger aus grundsätzlichem Desinteresse, schon gar nicht aus geistigem Unvermögen, sondern weil sie sonst andauernd mit der Nase darauf gestoßen würde, wie verloren sie durch eine undurchschaubar komplexe Welt taumelt.
    Ein verbissener Kunde verwickelt sie in Betrachtungen über die unfaßbare Ignoranz, von der Jahrtausendwende zu faseln, wo doch noch ein ganzes Jahr bis dahin vergehen werde. Ein Jahr sei erst nach einem Jahr vorbei, ein Jahrzehnt nach zehn, ein Jahrhundert nach hundert und ein Jahrtausend eben nach tausend, nicht schon nach neunhundertneunundneunzig Jahren. Weil Monika dabei die Stirn in Falten legt und nicht nur aus sprachlichen Gründen Verständnisschwierigkeiten hat, beschmiert er eine Serviette von oben bis unten mit Zahlen und Pfeilen. Auf diese Weise erreicht er zumindest, daß Monika ihm glaubt, was sie nicht ganz nachvollziehen kann. Zur wirklichen Jahrtausendwende wird sich mein Leben grundlegend verändert haben, denkt sie, als sie ihm gegenüber später wunschgemäß die Herrin herauskehrt. Sie glaubt sich, gegen alle Wahrscheinlichkeit.
    Monika ist im Grunde die selbe geblieben. Nach wie vor ist es undenkbar für sie, eine Instanz neben sich anzuerkennen, hinnehmen ja, anerkennen nein. Ihre Erfahrung lehrt sie seit der frühen Kindheit, daß nichts sicher ist, alles im Fluß, alles vorläufig. Sie hat niemanden und nichts, sie ist nichts und niemand. Verbindliche Gesetze gelten allenfalls in einem Paralleluniversum, dort wo sie vorkommt, herrschen die des Dschungels. Sie hat etwas von einem wilden Tier, scheinbar gebändigt, gefügig gemacht und ausgestellt, aber stets auf dem Sprung, sollte die Käfigtür aus Versehen einmal offenstehen. Draußen in der vermeint-lichen Freiheit ist diese Kreatur freilich ein Fremdkörper, ihre Flucht verläuft ohne Plan und ohne Ziel, sie findet sich nicht zurecht und keinen Platz zum Verschnaufen. Reumütig kehrt sie schließlich zurück in den Käfig, wenn sie nicht vorher erschossen wird. Ihre Fluchtversuche ähneln in gewisser Weise aber auch denen für den Schlachthof bestimmter Nutztiere, die in seltenen Fällen während des Transportes auskommen, in fremden, bedrohlichen Gegenden umherirren, in die Enge getrieben kräftig austeilen, nur um schließlich desto sicherer ihrem Verwertungszweck zugeführt zu werden.
    Im Fall von Monika sieht das so aus: An

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