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Und nehmen was kommt

Und nehmen was kommt

Titel: Und nehmen was kommt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Laher
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und besser abfinden, als sie es für möglich gehalten hat. Das liegt aber auch daran, daß Barbora sie, aus welchen Gründen immer, konsequent unter die Fittiche genommen zu haben scheint, etwas aufdringlich zuweilen, doch weil Monika es nicht gewohnt ist, daß sich jemand ihrer annimmt, saugt sie wie ein Schwamm auf, was Barbora an Lektionen auf Lager hat.
    Über ihre eigene Vergangenheit, wie sie hier am Straßenrand zu stehen kam, darüber schweigt Barbora sich trotz ihrer Redeschwälle beharrlich aus. Monika fragt nicht. Lesbe sei sie, das verrät sie ihr, und daß alle Männer Ärsche seien, die einen trügen es im Gesicht geschrieben, die anderen wüßten es eine Zeitlang zu verbergen, aber letztlich seien sie alle gleich. Abstand halten, nur nicht schwach werden, tricksen, wo es geht, das sind die Grundregeln in diesem Job, doziert Barbora. Gern hätte Monika sich nach ihrem Verhältnis zu dem Mann erkundigt, für den sie anschafft, aber sie will alles vermeiden, was Barbora vergrämen könnte. Sie wird hart sein zu sich, schnell viel lernen, in erster Linie Deutsch, in zweiter dominantes Verhalten, um sich, wann immer es geht, den Geschlechtsverkehr zu ersparen und sich vor Übergriffen zu schützen, in dritter, wie man regelmäßig Geld für sich abzweigt, ohne daß der Zuhälter Verdacht schöpft.
    Barbora leiht ihr einen Sprachführer Deutsch, Monika büffelt in jeder freien Minute Wortschatz und in Ansätzen sogar Grammatik, obwohl sie mit den meisten Fachbegriffen nichts anfangen kann. Sie übt mit Barbora einschlägige Dialoge zur Geschäftsanbahnung, lustig ist das meistens, weil Barbora, die immer den Kundenpart spielt, vom eitlen Gockel bis zum nervösen Tolpatsch alle Männer als unterbelichtet darstellt, voller grotesker Perversionsphantasien und unendlich lächerlich.
    Leidliche Deutschkenntnisse sind nicht nur Voraussetzung, um Geschäftsabsprachen im engeren Sinn tätigen zu können, schnell wird Monika nämlich klar, daß erstaunlich viele Männer von jenseits der Grenze mit den Strichfrauen nichts als am Restauranttisch sitzen, ihrem beruflichen Frust, ihren Beziehungsschwierigkeiten, ihrer allgemeinen Überforderung Luft machen und dafür eine Art Klagemauer engagieren wollen, die sich alles anhört, nicht widerspricht und durch ihre bloße Anwesenheit Trost spendet. Monika hat vorher nicht im entferntesten daran gedacht, daß die wohlgeordnete Welt der Weißen, noch dazu jener aus dem unermeßlich reichen, blitzsauberen Deutschland, solche Abgründe vorrätig halten könnte. Barbora hat ihr geraten, sie solle auf keinen Fall zu verstehen geben, kaum etwas mitzubekommen, den meisten genüge es schließlich vollkommen, wenn sie mit verständnisvollem Blick still dasitze und ein Gespür dafür entwickle, wann sie durch Nicken Zustimmung signalisieren solle und wann durch sanftes Streichen über Schulter und Oberarm des Gebeugten Mitgefühl. Nicht wenige verlängern, auf solche Weise zu immer neuen Herzausschüttungen animiert, spontan die gebuchten Sitzungen, was sie bei den Frauen besonders beliebt macht, weil das Geld stimmt und der Körper verschont bleibt.
    Auch Freier in Partylaune, die auf den Putz hauen, die Post abgehen lassen wollen, sind gefragt und kommen Monikas Bedürfnis entgegen, einfach abzuschalten und selbst möglichst viel Party, aber möglichst wenig Sex zu haben. Oft tauchen sie an den Wochenenden in kleinen, ausgelassenen Gruppen auf, Arbeitskollegen, Kegelrunden oder Kameraden von der freiwilligen Feuerwehr. Sie suchen sich ein paar Frauen aus, ziehen mit ihnen durch die Discos und verlegen die Party spät in der Nacht ins Hotelzimmer. Dort sorgt der Alkoholspiegel häufig dafür, daß es weiter eher deftig zugeht als erotisch, und wenn die Kerle unbedingt wetten wollen, wie viel Champagner in einer Muschi Platz hat, sollen sie, meint Barbora, ihren Spaß haben und der Sieger schlürfen dürfen. Zuverlässig und routiniert nimmt sie Monika, in der sich alles dagegen sträubt, solche Spezialwünsche einfach ab. Die kann sich über die gelassene Haltung der neuen Freundin nur wundern, sie scheint über den Dingen zu stehen.
    Die Straßenarbeit, klärt Barbora ihren Schützling auf, hat ihre eigenen Gesetze. Man darf da nicht zimperlich sein, jeder ist sich selbst der Nächste. Hat ein Einzelkunde, der wirklich zur Sache gehen will, das Geld endlich herausgerückt, wird eine Dienstleisterin, die alle fünf Sinne beisammen hat, versuchen, die berühmte Fliege zu machen,

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