Und nehmen was kommt
einem schneekalten Wintertag läßt ein tschechischer Geschäftsmann sie in seinen BMW steigen. Er ist auf der Rückreise von anstrengenden Terminen in Sachsen, will hinaus vor die Stadt fahren und daß sie es ihm im Auto besorgt, bevor er noch in der Nacht weiter heim nach Prag reist. Sie verheimlicht ihm zunächst, daß für sie Verkehr im Wagen nicht in Frage kommt, kassiert und eröffnet ihm erst, als sie ihm die Hose aufzuknöpfen beginnt, Masturbieren mit Kondom sei das höchste der Gefühle, das er sich erwarten dürfe. Der Mann ist verärgert und will sein Geld zurück, Monika weigert sich heftig. Längst hat er die Zentralverriegelung betätigt, und als er ihr ankündigt, gut, auch er könne anders, er werde sie jetzt einfach mitnehmen und an die Russenmafia verkaufen, schleudert sie ihm ins Gesicht, das solle er ruhig machen, ihr sei ohnehin alles scheißegal, auf einen Wichser mehr oder weniger, der Profit ziehe aus ihr, komme es nun auch nicht mehr an. Ihre bescheidene Vorstellungskraft reiche jedenfalls nicht aus, sich auszumalen, inwiefern die Russen es noch ärger treiben könnten mit ihr als ihr derzeitiger Besitzer.
Für den Kunden kommt Monikas Reaktion völlig unerwartet. Natürlich hat er mit Menschenhandel und Sexbusiness nichts am Hut, er wollte einfach seinem, wie er meint, berechtigten Ärger Luft machen, schließlich passiert es ihm heute nicht zum ersten Mal, daß er um eine bestellte und bezahlte Dienstleistung geprellt werden soll. Als seriöser Unternehmer sieht er nun einmal nicht ein, warum viele Prostituierte selbst so kräftig an dem zwielichtigen Image mitbasteln, das die Sexbranche umgibt. Ein Schuß ins eigene Knie ist das für ihn.
Er räuspert sich verlegen und fragt Monika, ob sie ihm ein bißchen aus der Praxis erzählen würde. Was sei denn so schlimm an ihrem Leben? Sie wittert sofort ihre Chance: Ihm kann sie sich ohne sprachliche Barrieren verständlich machen, vielleicht erbarmt er sich, und noch heute abend könnte sie in der anonymen Großstadt untertauchen, in der sie noch nie war. Geld scheint er genug zu haben, unter Umständen läßt er etwas springen, wenn sie es klug anstellt. Und sollte sie ausnahmsweise einmal wirklich großes Glück haben, kann sie vielleicht gar für ein paar Tage bei ihm unterkriechen. Sie vermeidet es aber geschickt, mit der Tür ins Haus zu fallen, und schlägt mit knappen Worten einen Deal vor: Paß auf, du kannst dein Geld zurückhaben, aber nimm mich dafür mit nach Prag, ich will, ich muß weg von hier. Auf der Fahrt kannst du dir meine Geschichte anhören.
Monika erzählt ihm vom Kinderheim, daß sie gegen ihren Willen verkauft wurde, auf den Strich gezwungen, sie könne so nicht weiterleben. Sie spürt die Tränen aufsteigen, das Weinen ließe sich zwar unterdrücken, aber wozu? Da kommen die richtigen zwei zusammen, sagt der Mann nach einiger Zeit in die Stille hinein, während er Kurs Richtung Autobahn Prag nimmt, die immer noch nicht fertig ausgebaut ist. Er bietet ihr eine Zigarette an. Gleich nach der Wende habe ich mich entschlossen, mit fünfunddreißig noch einmal durchzustarten, ich habe mich selbständig gemacht und binnen zehn Jahren eine florierende Firma hochgezogen, Backöfen, Kaminöfen und dergleichen, verstehst du, Generalimporteur, und daß sowas, wenn man es professionell aufzieht, bei dem Investitionsrückstand in diesem Land eingeschlagen hat, kannst du dir vorstellen.
Monika kann sich überhaupt nichts vorstellen, aber sie nickt eifrig. Ist mir dann auch fast über den Kopf gewachsen. Er macht eine kleine Pause, atmet tief durch. Materiell geht mir nichts ab, aber natürlich hänge ich Tag und Nacht drinnen, für die Beziehung das reinste Gift. Und jetzt hat mir meine Frau letzte Woche eröffnet, daß sie sich scheiden läßt. Sie sucht sogar schon eine Wohnung. Furchtbar ist das. Hast du Kinder? fragt Monika. Zwei Mädchen, fünfzehn und zwölf, sie werden mir fehlen. Dabei kenne ich sie kaum. Wenn ich darüber nachdenke, weiß ich nicht einmal recht, welche Musik ihnen gefällt, könnte ich nicht sagen, welche Klamotten sie für cool halten.
Sie müssen langsam fahren, der Schnee fällt in dicken Flocken, dämpft die Geräusche der Fahrzeuge. Das mit dem Unterkriechen kann ich mir also abschminken, geht es Monika durch den Kopf. Da fragt er auch schon, wo er sie aussteigen lassen soll in Prag. Ihr fällt nur ein, was sie aus dem Unterricht behalten hat, die Karlsbrücke mit den Statuen zum Beispiel oder der
Weitere Kostenlose Bücher