Und nehmen was kommt
weil er sie heiraten will, aber sie muß sich eingestehen, es liegt nicht in erster Linie an seinem dialektgefärbten Deutsch und nicht an der deutschen Sprache an sich, daß sie sich vorkommt wie das kleine grüne Männchen vom Mars. Sie versteht nun einmal nichts von Fußball, Kirche, Geschichte, Wirtschaft und Politik, von den Zuständen in Deutschland ganz zu schweigen, und wer sich hinter diesem für die Menschheit offenbar so bedrohlichen Herrn Parkinson verbirgt und warum ihr sanfter Georg aufdringliche Freier ausgerechnet wie Drachen zu töten bereit wäre, diese feuerspeienden Ungeheuer aus den Märchen und Sagen, wie er ihr auf Nachfrage erklärt hat, es ist ihr alles ein Buch mit sieben Siegeln.
Sie tauge einfach weniger denn je für ein normales Leben außerhalb des Käfigs der umgrenzten Zirkusarena, redet sie sich ein, wo sie, sobald die Peitsche des Impresario knallt, auf Befehl brav Männchen macht und, zum Gaudium des Publikums, bloß um des Gags willen auch einmal selbst die Peitsche schwingt: Ich weiß nichts, ich kann nichts, ich bin niemand. Einen großen Haufen Scheiße hat Joe sie genannt, dagegen hat sie wenigstens noch vor sich selbst rebelliert, ein Häufchen selbstwertloses Elend geworden zu sein, gegen diese Etikettierung würde sie sich nicht wehren können. Sie fühlt sich von Georgs Werben absolut überfordert, es macht ihr, so absurd das klingen mag, entschieden mehr Angst als Joes Demütigungen und Schläge.
Mit Hörigkeit hat das herzlich wenig zu tun. Wenn sie widerspruchslos tut, was er sagt, so nie, weil sie trotz allem zu ihm aufschauen würde, ihn gar für überlegen hielte. Er hat mehr Körperkraft, das schon, er nutzt diese Kraft brutal und rücksichtslos, um sie zu unterdrücken, aber er schien ihr an Statur nie größer als sie selbst, nicht einmal ganz am Anfang. Der Josef hinter Joe hätte durchaus Talente, macht aber nichts aus ihnen, er ist ein schwacher Mensch. Selbst ohne psychologische Theoriekenntnisse spürt Monika, daß die meisten Prügel, die sie kassiert, im Prinzip ihm selbst gelten, von seinem Haß sich selbst gegenüber herrühren, seinem Frust über die lächerliche Gestalt, die er, seit sie ihn kennt, vor dem Hintergrund bedingungslosen Vatergehorsams, krimineller Gegenwart, nebuloser Zukunftspläne, stets aufs neue gebrochener guter Vorsätze, weinerlichen Selbstmitleids, obsessiven Fraueneroberns und kollateralen Schwängerns abgibt, alles garniert mit dem ewig gleichen Cocktail aus Drogen, Alkohol und Spielsucht. Für diese Erkenntnis kann sie sich freilich nichts kaufen.
Wenn sich die Zimmertür hinter dem Kunden und ihr schließt, entpuppen sich für Monika die redegewandtesten, in ihrem Auftreten rücksichtslos massiven und scheinbar felsenfest im Leben stehenden Männer oft genug als schwere Neurotiker, als traurige Komplexler mit besonderen Bedürfnissen, die lieber regelmäßig zu einer Prostituierten gehen, um sich in der Pracht ihrer Jämmerlichkeit zu suhlen, als sich einer Therapie zu unterziehen, weil sie sich vor der Konfrontation mit ihren Problemen und dem Sich-selbst-Ausgesetztsein fürchten wie der Teufel vor dem Weihwasser.
Die Clubs halten dafür unter anderem Inkontinenzwindeln und Babyschnuller vorrätig, aber nicht immer lassen sich die ausgefallenen Kundenwünsche erfolgreich in kontrollierte Bahnen kanalisieren, obwohl Monika darin besondere Fertigkeiten entwickelt hat. An sich hält sie sich konsequent fern von allem, was im Jargon unter versaut und bizarr läuft, hin und wieder kann es aber vorkommen, daß alle Routine nichts nützt und sie, wenn gleich mehrere Faktoren zusammenspielen und eins das andere ergibt, bei einer dieser Gratwanderungen abstürzt, und zwar so arg, daß sich das Geschehen unauslöschlich in ihr Gedächtnis einkerbt und in ihre verwundete Psyche: An diesem Tag geht es Monika besonders schlecht, und der späte, unbekannte Gast hat ihr gerade noch gefehlt. Sie ist schon schwer betrunken, und seine Phantasien, von ihr nach Strich und Faden erniedrigt werden zu wollen, passen immerhin einigermaßen zu ihrem Aggressionslevel, einen Softie könnte sie heute nacht beim besten Willen nicht mehr zur Zufriedenheit bedienen.
Nach vollbrachten Züchtigungstaten stellt ihr der Kerl noch einen größeren Schein zusätzlich in Aussicht, wenn sie ihm das besondere Vergnügen bereiten würde, in sein Gesicht zu urinieren, möglichst gezielt in den Mund, wenn es sich bewerkstelligen ließe. Auch läge ihm einiges
Weitere Kostenlose Bücher