Und nehmen was kommt
bedarf seiner ausdrücklichen Zustimmung, und wehe, sie setzt sich darüber hinweg. Auch im Club hat er sie total unter Kontrolle, direkt, über den Besitzer und sein Personal, und es kommt vor, daß er mit drohendem Unterton in der Stimme meint, er wisse genau, sie würde einen Stammkunden näher an sich heranlassen, als das Geschäft es nötig mache.
Wie kann ich mir nur wünschen, daran möge sich nichts ändern? fragt sich Monika manchmal, wenn sie wach liegt, und sie muß sich eingestehen, ihre Ansprüche ans Leben auf ein absolutes Minimum reduziert zu haben. Sie hat bisher nicht wirklich Anschluß gefunden an die Frauen, die hier mit ihr arbeiten, eine beste Freundin wie Barbora oder Olga, mit der sie sich austauschen könnte, gibt es nicht. Und so macht sie alles mit sich selbst aus, erfährt keinerlei Relativierung in ihrer bedingungslosen Unterordnung, keinerlei Anerkennung, ihr Selbstwertgefühl war nie geringer ausgeprägt als jetzt. Joe hat ganze Arbeit geleistet.
Wieder wird eine Frau von ihm schwanger, und mit seiner Ausgeglichenheit ist es im Handumdrehen vorbei. Monika muß erneut höllisch aufpassen, ja kein falsches Wort zu sagen. Seine Lieblingsklamotten haben stets gewaschen und gebügelt zu sein, und überhaupt setzt er voraus, daß sie ihm jeden Wunsch gefälligst von den Lippen abliest, sonst kracht es. In dieser Zeit begegnet ihr Georg.
Kunden, die mehr von ihr wollten als die vereinbarte Dienstleistung, hat Monika immer gehabt. Nein, hier ist nicht von denen die Rede, deren Sexualphantasien ihr zu schaffen machten, sondern von Männern, die, aus welchen Gründen immer, ihre Fühler auszustrecken begannen und die private Monika kennenlernen wollten. Da gab es zum Beispiel ältere Herren, die ihr Vater oder gar Großvater sein könnten, denen sie ans Gemüt ging, die ihr Gutes tun wollten, etwas Hilfe anbieten wie einer auf die schiefe Bahn geratenen Tochter oder Enkelin. Für unterschiedliche Summen hofften sie darauf, gebraucht zu werden oder gar eine Spur echte Zuneigung zu erfahren. Sie hatte aber auch Freier, und nicht zu knapp, deren Ego es unter keinen Umständen zulassen wollte, sich einzugestehen, einzig ihre Geldbörse sei schuld daran, daß Monika sich mit ihnen abgab, die aufdringlich waren, lästig, sie zur eigenen Selbstbestätigung außerhalb der Geschäftszeiten bedrängten und sich doch eine Abfuhr nach der anderen einhandelten.
Einen wie Georg hatte sie noch nicht. Er habe sich unsterblich in sie verliebt, gesteht der Mittdreißiger schon beim zweiten Mal unumwunden, ganz ohne Schnörkel, und er überreicht ihr einen Strauß roter Rosen. Er will sie auch nicht mehr anfassen, bis sie sich entschieden hätte. Und er hat Fotos mitgebracht, von seinem großen Haus, das seit der Scheidung eben viel zu groß sei für ihn allein, von seiner Autowerkstatt gleich daneben, von dem aufgeräumten Dorf mit den vielen weißen Häusern und den bunten Blumen an den Fenstern, eingebettet in eine blitzsaubere, sanfte Hügellandschaft, die reinste Idylle.
Georg spricht gern und viel, und wenn er persönlich wird, vergißt er schnell aufs Hochdeutsch. Unwillkürlich wechselt er dann in seinen heimischen Dialekt, und Monika muß ihm zu verstehen geben, nichts zu verstehen, sie schmunzeln beide, und er behauptet, was er ihr sagen wolle, klinge so gespreizt und gestelzt, wenn er nicht reden könne, wie ihm der Schnabel gewachsen sei. Und sie fragt: Schnabel? Bist du ein Vogel? Und er erklärt ihr, das sei eine Redensart bei ihnen zuhause, wenn einer zum Beispiel saudumm daherschwafle, heiße man ihn den Schnabel halten. Schnabel halten? Monika drückt ihm mit der Linken belustigt von unten gegen das Kinn, und er produziert Geräusche wie einer, dem man den Mund zugeklebt hat, und sie lachen beide, und er küßt ihre Hand.
So oder so ähnlich vergeht die Zeit, die sie zusammen verbringen. An gewissen Tagen ist es Monika leicht ums Herz wie lange nicht, wenn Georg da ist. Er vermittelt ihr das Gefühl, vielleicht doch nicht das Letzte zu sein, er hat eine gesunde Bodenhaftung, ihn bringt nicht so schnell etwas aus der Ruhe. Er sagt vergnügt, er sei eben gut beisammen, wenn sie ihn wegen seines Übergewichts hänselt, und sollte sie Wert darauf legen, daß er auf dem Hochzeitsfoto noch ein paar Haare auf dem Kopf trage, müsse sie sich mit ihrer Entscheidung beeilen.
Es sind solch scheinbar beiläufig eingestreute Bemerkungen, die ihre Stimmung dann nachhaltig beeinflussen, und zwar eindeutig
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