Und nehmen was kommt
Namen Beutegegenstände aus zwei Einbrüchen verpfändet worden seien, das habe sich mittlerweile eindeutig zuordnen lassen. Monika kombiniert richtig: Der alte Trick, Joe besitzt ihren falschen Paß, und damit hat er ihr wohl aus Rache ein faules Ei gelegt. Daß er der Sohn seines mächtigen Vaters ist, will er mir andeuten, vermutet sie, und daß er sich als solcher auf einen langen Arm stützen kann, der in dieser Stadt bis weit in die Polizeikreise hinein reicht.
Wie zum Beweis schlägt Joe ihr vor den Augen des Gesetzes heftig ins Gesicht. Du elende Schlampe, herrscht er sie an, wirst du endlich aufhören mit deinen ewigen Diebstouren! Glaub ja nicht, ich decke das nur einen Tag länger! Monika ist so perplex, sie kann gar nicht reagieren. Den Polizisten müßte doch klar sein, schießt es ihr durch den Kopf, wie konstruiert und lächerlich seine Vorwürfe sind, aber alles, was sie machen, ist gute Miene zum bösen Spiel. Laß dir das eine Lehre sein, schließt er seine Schmierenkomödie ab, für dieses Mal ziehe ich die Anzeige zurück, aber einmal noch, und du kannst sehen, wo du bleibst.
Inzwischen ist der Türsteher hinzugetreten und fordert alle Beteiligten auf, ihre Auseinandersetzung nicht hier herinnen fortzuführen, sie hätte nichts mit dem Lokal zu tun. Joe packt Monika grob am Arm, sie wehrt sich, rutscht aus und stürzt zu Boden. Wie einen Mehlsack zieht er die Halbnackte, die nicht wieder auf die Füße kommt, an diesem Arm und den Haaren aus dem Why not? über den Parkplatzkies zum Auto, die Polizisten sehen keinen Grund einzuschreiten.
Am ganzen Körper aufgeschunden und fast skalpiert liegt Monika später teilnahmslos auf dem Doppelbett der Einzimmerwohnung, sie weint nicht, sie wimmert nicht. Sie hält die Augen geschlossen, könnte gut tot sein. Ich habe dich gewarnt, sagt Joe ganz ruhig, dann steckt er die Zigaretten ein und geht hinaus in die Nacht. Monika hat ihre Lektion gelernt, zwischen der Polizei und Joe besteht offenbar bestes Einvernehmen, fliehen ist zwecklos, die Lage ist aussichtsloser als seinerzeit bei František.
Wenige Wochen danach bricht Joe von einem Tag auf den anderen überraschend die Zelte ab. Er müsse rasch weg aus der Stadt, ist alles, was Monika erfährt, und daß er sie mitnähme. Hat er sich mit dem Vater überworfen, gar ein Ding gedreht, das ihm über den Kopf gewachsen ist, vielleicht eine Frau verführt, der ihrerseits mächtige Beschützer zur Seite stehen? Er habe bestens vorgesorgt, ein Freund werde ihnen einstweilen eine Wohnmöglichkeit zur Verfügung stellen. Der Ort, den er nennt, sagt ihr nichts, sie weiß, dort wird sie ihm nicht weniger ausgeliefert sein als hier, aber sie gehorcht ohne Widerspruch.
Es stellt sich heraus, daß dieser Freund, eher ein flüchtiger Bekannter Joes, ein gut eingeführtes Nachtlokal betreibt, dreihundert Kilometer entfernt im Südwesten, und zwar an der Bundesstraße, die hinter der Grenze direkt hinunter nach Nürnberg führt. Monika ist das passende Mitbringsel, die Eintrittskarte sozusagen, wohnen können die beiden direkt im Club, vorderhand sogar gratis.
Wider alle Wahrscheinlichkeit ändert sich mit dem Ortswechsel zunächst vieles zum Positiven: Joe scheint wie ausgewechselt, hier, wo der übermächtige Vater nicht die Fäden zieht, schrumpfen seine Aggressionen, selten nur kommt ihm die Hand aus. Monika gegenüber gibt er sich meist freundlich distanziert, zuweilen ausgesprochen liebenswürdig, und sie wundert sich, ihm, der ihr schon so viel angetan hat, dafür ehrlich dankbar zu sein. Ihr ist durchaus bewußt, daß sein Stimmungsumschwung vor allem mit ihrem Verdienst zu tun haben dürfte, im doppelten Wortsinn, denn wer täglich mindestens hundertfünfzig bis zweihundert Euro in die Hand gedrückt bekommt, kann leicht freundliche Nasenlöcher machen. Es ist deutlich zu spüren, Franken und der Oberpfalz geht es wirtschaftlich besser als der Lausitz, Kundenfrequenz und Spendierfreudigkeit lassen keine Wünsche offen. Als Braut vom Freund des Chefs genießt Monika zudem gewisse Privilegien, und sie ertappt sich dabei zu wünschen, so solle es ewig bleiben.
Nüchtern betrachtet, könnte sie jetzt trotz der Drogenkosten jede Menge Geld zur Seite legen, aber Joe verbraucht es, wie gehabt, bis auf den letzten Cent, den letzten Heller im Casino, beim Kartenspielen, in Boutiquen, mit den Frauen, er ist ihr keine Rechenschaft schuldig. Die kleinste Kleinigkeit jedoch, die sie für sich selbst anschaffen will,
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