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Und nehmen was kommt

Und nehmen was kommt

Titel: Und nehmen was kommt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Laher
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negativ. Sie kennt ihn jetzt lange genug, um sich sicher zu sein, daß er meint, was er sagt. Georg bietet ihr ohne Gegenforderungen an, was sie sich in den kühnsten Träumen nicht zu erhoffen wagt: Ein für ihre Verhältnisse mondänes Zuhause in einem trotz aller Krisen reichen Land, vor allem aber, was viel wichtiger ist für Monika, selbstverständliche Wertschätzung. Nein, sie fürchtet nicht ernsthaft, daß auch er sich binnen kurz oder lang als skrupelloser Gewalttäter oder Zuhälter entpuppen könnte, und ihre Zurückhaltung hat auch wenig damit zu tun, daß er kaum je einen Schönheitspreis erringen wird, ein gutes Dutzend Jahre älter ist als sie und einer an sich temperamentvollen jungen Frau etwas sehr abgeklärt, bieder und rustikal vorkommen muß. Wer ist sie denn, daß sie Ansprüche dieser Art stellen dürfte. Und daß sie ihn nicht liebt, höchstens mag, sympathisch findet wie einen guten Kumpel, mein Gott, auch das würde nicht ins Gewicht fallen, sie hat noch nie jemanden geliebt und hält es für mehr als unwahrscheinlich, daß das einmal passieren könnte.
    Wenn nichts davon wirklich dagegen spricht, einfach ja zu sagen und Demütigungen, Schläge, Sexarbeit, Drogen, die ständigen Umzüge und provisorischen Unterkünfte, wenn sie Glück hat, sogar die Unbehaustheit im übertragenen Sinn und alles, was ihre bisherige Existenz sonst ausgezeichnet hat, weit hinter sich zu lassen, was ist es dann? Was ist es, das sie nicht nur zögern, sondern tief drinnen längst wissen läßt, sie wird diese Gelegenheit, diese vielleicht einzige echte Gelegenheit ungenutzt verstreichen lassen?
    Georg zeigt ihr nicht nur Fotos, er plaudert mit ihr nicht nur übers Liebhaben, das zukünftige gemeinsame Nest und den Schnabel, sondern schneidet alle möglichen Themen an, zum Beispiel tagespolitische, etwa daß die kürzlich leider wiedergewählte rot-grüne Bundesregierung für kleine und mittlere Unternehmen eiskalt den Totengräber spiele. Beim Thema Irak wiederum habe er natürlich recht gehabt, der Schröder, der Irakkrieg, das sag ich dir, meint er, ist doch nur ein billiger Vorwand für die Weltherrschaftsansprüche der Amis, Koalition der Willigen, daß ich nicht lache, Koalition der Depperten müßte es heißen, unter dem Oberdeppen Bush, dem Verbrecher. Von Zeit zu Zeit nimmt er einen kräftigen Schluck vom Pilsner. Daß es ein Kreuz sei mit den Ossis und die Nationalmannschaft den Münchner Bayern nicht das Wasser reichen könne, daß der Papst es auf keinen Fall mehr lange machen werde, dieser Parkinson sich noch zu einer fürchterlichen Menschheitsgeißel auswachsen werde, daß sie ihn bei Bedarf nur anrufen brauche, in weniger als einer dreiviertel Stunde könne er mit Blaulicht da sein, und er heiße nicht nur Georg, er stünde dem Drachentöter auch in nichts nach, wenn’s hart auf hart ginge, obwohl er an sich ja keiner Fliege was zuleide tue, es kommt so einiges zusammen bei seinen Besuchen, nicht nur, was das einmalige tschechische Bier anlangt.
    Andererseits, weil wir gerade von der Tschechei reden, wischt Georg sich den Schaum des frisch gezapften neuen Glases vom Oberlippenbart und setzt seinen Redeschwall fort, es ist ja überhaupt noch nicht ausgemacht, wie sich der EU -Beitritt praktisch vom ganzen Ostblock bei uns da heroben, so dicht an der Grenze, wo sich früher während dem Eisernen Vorhang buchstäblich Fuchs und Hase gute Nacht gesagt haben, auf mittlere Sicht auswirken wird. Da gibt es eine ziemliche Verunsicherung. Gehen jetzt die produzierenden Betriebe in großem Stil hinüber ins Billiglohnparadies? Werden wir überschwemmt von Millionen und Abermillionen aus dem Osten, die auf den deutschen Arbeitsmarkt drängen? Ausgebildet seid ihr ja im allgemeinen nicht schlecht, du ja übrigens auch, nicht? Und er zwinkert ihr vergnügt zu.
    Lange schon gehört es zu ihren professionellen Stärken, die zahlenden Gäste zum Reden zu veranlassen, sie darin zu bestärken, förmlich aufzumuntern, ihre gebuchte Zeit lieber mit verbaler Kommunikation zu verbringen anstatt mit körperlicher Interaktion. Sie kann, wenn einer sich ohnehin am liebsten selbst reden hört, dabei mittlerweile fast völlig abschalten und doch so wirken, als ob sie konzentriert bei der Sache wäre. Und kommt einer, dem Monologe allein nicht ausreichen, schließlich dahinter und sucht sich deshalb beim nächsten Mal eine andere, was freilich selten eintritt, ist das auch kein Beinbruch.
    Georg hört sie aufmerksamer zu,

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