Und nehmen was kommt
war unklug, saudumm war es, sich so weit einzulassen, zu nichts wird es führen, das viele Gequatsche. In drei Wochen wird er dieser ganzen herbstlichen Trostlosigkeitssoße hier elegant den Rücken kehren, ausgiebig Tauchen am Strand von Khao Lak ist angesagt, er freut sich auf neue Touren ins Hinterland mit dem Motorrad, auf Sonne und Wärme und Meer, auf sein Strandbarprojekt, da würde es gerade noch fehlen, wenn sein Kopf in dieser hirnrissigen mährischen Kleinstadt hinter Österreichs verschlafener Nordgrenze hängen bliebe.
Er wird ihr jetzt einen Szenenwechsel vorschlagen, immerhin hat er für ihren Körper bezahlt und nicht für ihr Gekeife. Wenn er Glück hat, klappt es dieses Mal besser, aber viel Hoffnung macht er sich nicht. Monika hat gehofft, es würde erst gar nicht dazu kommen. Grenzen waren überschritten, die ihr gewöhnlich Schutz boten, unterlaufen, aber nicht nur von seiner Seite. Das irritiert sie am meisten.
Irgendwann richten sie sich zum Schlafen, ohne Erfolg. Ihn hindert ein Herzrasen daran, wahrscheinlich kommt es von dem Zeug, das er sich eingebildet hat, er wird in Zukunft die Finger davon lassen. Sie hat sich noch lange nicht von diesem Abend, diesem ersten Teil der Nacht erholt, seit Georg ist ihr nichts auch nur entfernt Vergleichbares widerfahren, und stundenlanges, quälendes Wachliegen ist schon an gewöhnlichen Tagen ihr, wie es scheint, unabänderliches Schicksal.
Kalt und warm hat dieser Typ es ihr gegeben. Dabei spürt sie rein gar nichts von der albernen, kindischen Verliebtheit Veras in jeden dritten oder vierten Kunden, die ihr immer so auf die Nerven geht, vielmehr hat er etwas angerührt in ihr, als und wie er von sich und seiner Stunde null erzählte, nicht weinerlich und Mitleid heischend, wie das die meisten tun, sondern überlegt und doch brüchig, verloren und kämpferisch zugleich. Er hat etwas angerührt, als er in sie drang, von ihrer eigenen Vergangenheit zu berichten und sie zum Selbstschutz alle Stacheln aufstellen mußte, er wollte, kam ihr vor, wirklich etwas erfahren über die verschüttete Monika hinter der dick aufgetragenen Schminke, den geschwollenen Augen vom wenigen Schlaf und den überdimensionierten Amphetaminpupillen. Und er hat etwas angerichtet, als er in sie drang, mit seinem Schwanz, zum Drüberstreuen und zur Machtdemonstration, wie sie es empfand und mit Dienst nach Vorschrift quittierte.
Hell wird es schon draußen, als sie beide ein paar Stunden halbwegs Ruhe finden, die stark befahrene Straße vor dem Fenster des Motels trägt das ihre dazu bei, daß es ein oberflächlicher, traumdurchwirkter Schlaf bleibt, und sie kommen sich ziemlich gerädert vor, als sie zu Mittag mit zugekniffenen Augen ins Freie treten. Ihm ist nach Frischluft und einem Spaziergang im Wald, sie hat nicht das passende Schuhwerk dafür, und so trotten sie ein Stündchen auf einem behelfsmäßig asphaltierten Weg durch die Weinberge, wo die Lese gerade in vollem Gang ist. Sie reden nicht viel, ein paar Worte über das Wetter, ein paar Worte über den Wein.
Währenddessen kreisen seine Gedanken um ihre Aussage von gestern, es vergehe praktisch kein Tag, an dem sie nicht Speed schnupfe, oft sogar zwei- oder dreimal. Es war das Persönlichste, was sie bisher von sich gegeben hat, und es hat ihn ordentlich geschreckt. Ein bißchen schämt er sich, es aus purer Abenteuerlust und Neugierde darauf angelegt zu haben, mit ihr gemeinsam auszuprobieren, was ihr längst über den Kopf gewachsen zu sein scheint. Er hat sich bisher nicht sonderlich viel mit der Lebenswirklichkeit von Prostituierten beschäftigt, ein Honiglecken ist es für die Mehrzahl von ihnen wahrscheinlich nicht, soviel ist ihm bewußt, aber sie würden es schließlich freiwillig machen, viele wenigstens, in jedem Fall die Frauen aus den paar Clubs, in denen er sich aufgehalten hat. Gut, es gibt, hört und liest man überall, diese skrupellosen Schleuserbanden aus dem Osten, die in großem Stil Mädchen in westliche Bordelle exportieren, wie Sklavinnen halten und sich damit eine goldene Nase verdienen, die selbst vor der brutalen Vermarktung von Kindern nicht haltmachen. Denen gehört natürlich, wo es geht, das Handwerk gelegt. Aber die Welt ist eben schlecht, das organisierte Verbrechen gibt es nun einmal, in allen möglichen Varianten und in den meisten Ländern, es gibt die Wirtschaftskriminalität, es gibt korrupte Politiker, mit der Sexbranche an sich hat das wenig zu tun.
Moralisch findet Philipp
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