Und nehmen was kommt
erfolgreich zu verdrängen bemüht war. Es war der blanke Horror, er schmiß den Job hin, ohne daß sich eine Alternative aufgetan hätte.
Ihm fehlte meist die Lust, unter Leute zu gehen, mit Freunden etwas zu unternehmen, ständig mußte er sich dann erklären, über seine Befindlichkeit Auskunft geben, ob er hoffentlich das Schlimmste langsam hinter sich habe, und selbst wenn sie ihn scheinbar in Ruhe ließen, wurde er das Gefühl nicht los, einerseits Trost empfangen, andererseits Rede und Antwort stehen zu sollen.
Auf Frauen konnte und wollte er schon gar nicht zugehen, sich frisch verlieben, da waren die Wunden zu wenig vernarbt, ein Ding der Unmöglichkeit wäre das gewesen, und es gezielt auf einen One-Night-Stand anzulegen, des lange entbehrten Prickelns wegen, der Geilheit, des Warmen und des Weichen, er scheute den Aufwand, er scheute die Enttäuschung, daß es nicht klappen könnte, denn es war ihm so gar nicht nach Anbaggern zumute.
Weißt du was, meinte sein Bruder bei einem seiner seltenen Anrufe, reiß dich zusammen und fahr doch einmal hinauf an die tschechische Grenze, da reiht sich ein Nachtclub an den anderen, das kostet nicht die Welt, gönn dir ein bißchen Spaß ohne Verpflichtungen, vielleicht kommst du dabei auf andere Gedanken. Kurz wehrte er sich dagegen, weil es ihn traurig machte, daß der Bruder bloß diesen seltsamen Vorschlag zu investieren bereit war, dann konnte er ihm doch etwas abgewinnen. Seither war er mehrmals Gast in dieser Gegend, und er müßte lügen, wollte er behaupten, es wären leere Kilometer gewesen.
Dafür war zum größten Teil das zwanglose Clubambiente verantwortlich, in das man, hatte man sich einmal von Skrupeln und Vorurteilen, Widerständen und Hemmungen gelöst, wie in eine Party unverbindlich eintauchen konnte, um ein paar Stunden auszuleben, was man sich sonst nicht zugestand. Er hatte tatsächlich Spaß, dachte an nichts, tanzte ein bißchen, blödelte, schaute, quatschte belangloses Zeug. Weit weniger lustvoll war dafür anfangs der eigentliche Akt, da tat er sich schwer, zurückgeworfen auf sich, den Kopf voller Bilder von intimen Begegnungen, die alt ausschauen und schal schmecken ließen, was sich soeben mechanisch vollzog. Aber auch in dieser Beziehung spielte er sich bald einmal frei, konnte abschalten, genießen. Für Männer in seiner Verfassung, ließ er sich überzeugen, alles in allem eine sehr segensreiche Einrichtung, so ein Club.
Doch dann standen die freundschaftlichen Gespräche zur Vorbereitung einer einvernehmlichen Scheidung an, vor denen er sich gefürchtet hatte, wegen des Zusammentreffens mit ihr, nicht wegen der Dinge, die es auszuhandeln galt. Er machte ihr das Angebot, alles mitzunehmen, was sie sich zusammen geschaffen hatten, er wollte nicht länger daran erinnert werden. Parallel dazu wurde, unabhängig von den Weichenstellungen für die amtliche Trennung, der Familienrat einberufen, seine Eltern verkündeten offiziell ihren nicht ganz unerwarteten Entschluß, das Haus endgültig aufzugeben, wenigstens die finanziellen Sorgen waren also jetzt bald ausgestanden. Erleichtert buchte er fünf Wochen Sandstrand in Thailand, schnorcheln wollte er dort, biken und alle fünfe gerade sein lassen, eventuell sondieren, ob sich für ihn in der Fremde Perspektiven auftäten, ihm schwebte so etwas wie eine Strandbar vor. In Khao Lak erholte er sich, den Umständen entsprechend, leidlich und ist dabei tatsächlich auf den Geschmack gekommen.
Wieder zurück, mußte er erst einmal die Scheidung durchtauchen, es schnürte ihm, ein letztes Mal, hoffte er, die Kehle zu, als sie schon im Treppenhaus aufeinandertrafen. Und als der Richter endlich aufstand und die beiden ersuchte, sich zur offiziellen Verkündung des Schlußstriches ebenfalls zu erheben, streifte ihn ein heftiges Schwindelgefühl, er mußte sich zusammenreißen, um sich nichts anmerken zu lassen. Von ihrem Angebot, hin und wieder im alten Stammcafé ein Glas Wein miteinander zu trinken, wollte er keinen Gebrauch machen.
Daß jetzt sein Anteil aus dem Verkauf des Elternhauses auf dem Konto einlangte, ein Grund zum Feiern ist das, sagt Philipp sich, obwohl sich nur eine reichlich verhaltene Freude darüber einstellen will. In einigen Wochen schon wird er wieder Richtung Thailand unterwegs sein, er plant, diesmal zumindest ein halbes Jahr in Khao Lak zu verbringen und ernsthaft an der Umsetzung seines Barprojektes zu arbeiten. Heute aber möchte er es sich richtig gutgehen lassen,
Weitere Kostenlose Bücher