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Und nehmen was kommt

Und nehmen was kommt

Titel: Und nehmen was kommt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Laher
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nicht allein sein und trotzdem niemandem Rechenschaft schuldig. Dafür ist er zu zahlen bereit. Sein Auto hat er inzwischen verkauft, er ruft deshalb einen Freund an, lädt ihn ein, und zwei Stunden später geht es nach Norden.
    Er hat kein Stammlokal, besucht vielmehr je nach Lust und Laune einmal diesen, einmal jenen Club. Noch ist es relativ früh am Abend, im Kontaktraum wenig los, die Auswahl an Frauen beträchtlich. Bei Philipp will vorderhand keine rechte Stimmung aufkommen. Der Freund, frisch liiert und zum ersten Mal im Bordell, möchte soundso nur etwas trinken, ein bißchen schauen. Philipp hätte sich zunächst gern einmal akklimatisiert und einen Überblick verschafft, als sich auch schon eine der Animierdamen nähert. Ihn läßt sie links liegen, dafür macht sie seinen Freund an.
    Monika hatte gerade wieder heftigen Streit mit Vera. Statt ihr ins Gesicht zu springen, ließ sie sie einfach sitzen, als die beiden Männer auftauchten. Der eine wirkt linkisch, unsicher, dürfte wohl ein Neuling sein, der andere erscheint ihr auf den ersten Blick zwar um einiges attraktiver, dafür aber glatt, arrogant, schwerer auszurechnen. Natürlich wendet sie sich sofort dem Typ zu, der sich vermutlich leichter abzocken läßt. Sorry, winkt der gleich ab und lacht verlegen dabei, ich bin nur die Begleitung. Blitzschnell stellt Monika sich auf die Situation ein. Philipp spürt die Aggression hinter ihrer professionellen Fassade, die auf vertrackte Weise irgendwie gut zu seinem Unbehagen paßt, von ihr überfallsartig animiert worden zu sein, und das noch dazu bloß als zweite Wahl. Deshalb und weil es ihm zu mühselig ist, sie zurückzuweisen, sitzen sie schnell beim ersten Drink.
    Sie hat die Gemengelage seiner Verfassung schnell heraus, was sie in der Ferndiagnose als Arroganz aufgefaßt hat, ist offenbar der Mantel für eine brodelnde Unentschlossenheit, die sich, wenn sie sich Mühe gibt und Glück hat, in ihrem Sinn kanalisieren lassen könnte. Geschickt tastet sie sich vor. Umgarnt soll er sich fühlen, aber nicht eingesponnen, reden soll er, wenn ihm danach ist, aber ausgefragt darf er sich nicht vorkommen. Wird er’s hart oder weich wollen? Legt er’s doch auf Spaß an, oder ist ihm eher nach Beistand? Als die Daten gesammelt sind, gilt es nur noch, die richtige Feinabstimmung zu finden, die passende Tonlage. Er soll schließlich einiges konsumieren, hier herunten und später womöglich auf dem Zimmer.
    Daß mehr, anderes als eine Routinebehandlung daraus werden, daß Monikas Kalkül durchkreuzt, Philipps Absicht in ihr Gegenteil verkehrt wird, wenn auch nicht schon heute, im nachhinein erscheint es verblüffend folgerichtig, auch wenn alles dagegen spricht außer die Unausweichlichkeit jener nie vorhersagbaren Dynamik, die zwei Menschen dazu bringt, sich trotz alledem ineinander zu verheddern.
    Er sehnt sich, wenn er ehrlich ist, in erster Linie nach Entspannung, nach Abschalten, er hat zuviel erlebt und zu verdauen gehabt in der letzten Zeit. Daß der Geldsegen einen Anlaß zum Feiern böte, er hat es sich eingeredet, um Gesellschaft zu haben, nicht ins Grübeln zu verfallen. Als ob man bloß mit den Fingern schnippen brauchte, um die entsprechende Stimmung herbeizuzaubern. Seine Hoffnung setzt er jetzt auf die Wirkung des Alkohols.
    Irgendwann bringt Monika eines der Spezialzimmer mit Whirlpool ins Gespräch, ohne viel Enthusiasmus willigt er ein. Sie werden sich dort fast zwei Stunden aufhalten, die meiste Zeit im Wasser, plaudern, einen Schluck nach dem anderen aus den Gläsern am Beckenrand nehmen, Monika wird Philipp massieren, er wird sich endlich entkrampfen, durchatmen, die Augen schließen. Schließlich wird herumgefingert und geblödelt werden und wie einst im Kinderbecken geplantscht. Nachher fühlt er sich locker und weit weg von allem, was ihn zu Boden zog. Eigentlich fehlt jetzt nur noch ein Joint.
    Im Bett folgt leider die Enttäuschung, sie gibt sich für seinen Geschmack unnahbar, will es schnell und schmerzlos hinter sich bringen, die Aggressionen auf beiden Seiten stellen sich prompt wieder ein. Er kann heute überhaupt nicht, was er wollen soll, weil etwas in ihm es nicht will, da hilft es nichts, daß er sein Versagen auf den hohen Alkoholspiegel schiebt. Und Monika hütet sich, alle Register zu ziehen, um dieses Etwas in ihm umzustimmen.
    Sie kommen stattdessen auf schwankende Stimmungen zu reden, über Umwege auf Drogenerfahrungen. Was hier im Club gewöhnlich konsumiert werde, will er

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