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Und nehmen was kommt

Und nehmen was kommt

Titel: Und nehmen was kommt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Laher
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unschuldiger Engel, mit allen Wassern gewaschen, mehr hager als schlank, makellos, voller Schrammen, bezaubernd, kratzbürstig, lieb. Scheiße, sagt er halblaut, daß ich weg muß von ihr.
    Philipp hütet sich, vor Monika auch nur ein Wort über seine Absicht zu verlieren, sich in Thailand eventuell eine Existenz aufzubauen. Im Flugzeug hofft er inständig, daß sich dieses unerklärliche Gebanntsein mit dem Ortswechsel verflüchtigt, diese idiotische Eingenommenheit vom Zauber einer Frau, auf die sich eben nur ein Idiot näher einlassen würde. Die folgenden Stunden auf dem Weg in den Fernen Osten hat er Zeit genug, eine imaginäre Liste von Gründen zu erstellen, die jedem mit halbwegs klarem Verstand solche Flausen aus dem Kopf schlagen müßten: Sie ist an Körper und Seele schwer bedient, voll auf Drogen, dreiundzwanzig erst und schon fünf Jahre im Sexgeschäft, kommt weiß Gott wo her, jedenfalls von ganz unten, aus einem anderen Land, mehr noch, aus einer anderen Kultur, wenn das Wort überhaupt paßt, hat kein Geld, kann, vom SMS-Gestammel einmal abgesehen, vielleicht nicht einmal richtig lesen und schreiben, laboriert immer noch schwer an dem brutalen Typ von Ex-Freund, und ich kenne sie so gut wie überhaupt nicht. Philipp läßt keine Gelegenheit aus, bei den Flugbegleiterinnen Whiskey nachzuordern.
    Er hat ihr zu erklären versucht, es habe keinen Sinn, ihm während des Fluges eine SMS zu schicken, aber er hat vergessen, ihr zu vermitteln, wie lange es dauert, um endlich in Thailand aus dem Flieger klettern zu können, daß Holland und England, weil viel näher, in wesentlich kürzerer Zeit zu erreichen sind. Monika kann diese Unterschiede nicht recht abschätzen. Im Terminal schaltet er sein Mobiltelefon ein, das Display avisiert ihm acht Nachrichten von ihrem Anschluß.
    Als er von der Tauchbasis am paradiesischen Sandstrand von Khao Lak zur ersten Tagestour aufbricht, unter Wasser den imponierenden Feuer- und Igelfischen begegnet, ist er in Gedanken ganz woanders, bei Monika nämlich, und als er an der Hotelbar am frühen Abend zur Erfrischung einen ersten Longdrink bestellt, würde er es gern für zwei tun, und zwar für sie und ihn. Vor dem Einschlafen schreckt ihn die Vorstellung, sich mit der absurden Fixiertheit auf diese Frau nachhaltig zu übernehmen, und er riskiert es sogar in Ansätzen, bei sich selbst nachzubohren, was es denn für tiefere Ursachen haben könnte, nach dem Scheitern seiner Ehe sehenden Auges in ein nächstes Unglück zu tappen, wenn es ihm nicht gelänge, auf der Stelle das Ruder herumzuwerfen.
    Weit weg ist aber heutzutage nicht mehr weit weg genug. Mehrmals am Tag kündigt ihm sein Handy eine neue SMS von Monika an, er tippt ihr ein paar Worte zurück, sie telefonieren. Sie signalisiert ihm, er habe ihr die Kraft gegeben, für ihr Leben wieder eine Perspektive zu sehen. Daß so etwas passieren könnte, habe sie nicht mehr für möglich gehalten. Um zu unterstreichen, wie ernst es ihr ist, hat sie bereits einen entscheidenden Schritt gesetzt, sagt sie, eigentlich gleich zwei auf einmal, sie will fortan Arbeit und Privatleben konsequent trennen, vom Speed loskommen, und zwar sofort. Sie hat ein kleines möbliertes Zimmer gefunden und wird es mit dem finanzieren, was sie sich erspart, wenn sie mit der Droge Schluß macht. Unmißverständlich deutet sie an, ihr künftiges Wohl und Wehe hänge allein von ihm ab. Komm bitte bald zurück.
    Philipp will sich ordentlich ärgern darüber, dermaßen genötigt, vorsätzlich in die Pflicht genommen zu werden, bevor er sich über seine Neigung und ihr Ausmaß hinreichend Klarheit verschaffen konnte. Hat er ihr wirklich Anlaß gegeben, Forderungen stellen zu dürfen? Hätte er sich entschiedener wehren müssen, als sie ihn im Incognito vor allen Leuten abknutschte, als sie die geschäftliche Beziehung zwischen ihnen beiden geschickt in eine private überführte? Hat sie seinen Charaktergrundzug, spontan zu handeln, scheinbar verrückte Unternehmungen durchzuziehen, zu sehr auf sich bezogen? Oder betreibt er Kindesweglegung, indem er sich seine Rolle im Spiel passiver zurechtlegt, als es der Wirklichkeit entspricht? Benützt sie ihn, oder ist es tatsächlich mehr? Hat er sie benützt, oder ist es tatsächlich mehr? Er will sich ordentlich ärgern, aber er ärgert sich nur mäßig, denn lange, allzu lange hat er jetzt ziemlich antriebslos im Trüben herumgestochert, halbherzig Unternehmungen gestartet, Verschiedenes ausprobieren wollen,

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