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Und nie sollst du vergessen sein

Und nie sollst du vergessen sein

Titel: Und nie sollst du vergessen sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Boehm
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Sommer die Vorgärten, Spaliere und Fensterbänke ein einziges Blumenmeer waren und sich gegenseitig in ihrer Pracht überstrahlten, hingen jetzt die noch nicht eingepackten Rosenranken kahl und traurig an den Rosenbögen und Rankgittern, als ob sie sich aufgegeben und ihren Glauben an den kommenden Frühling und die mit ihm wiederkehrende Schönheit der Natur längst verloren hätten.
    Maria Reisingers Haus lag etwas von der Straße nach hinten versetzt und wurde von einer großen Auffahrt gesäumt. Ein gepflegter Vorgarten, verschieden hohe Blau- und Nordmann-Tannen und eine ebenfalls verblühte Rosenhecke rahmten das Anwesen ein und sorgten so für eine heimelige Idylle.
    Sie scheint nicht nur sehr eitel im Umgang mit sich selbst zu sein, dachte Emma, als sie die Haustür erreicht hatte. Erwartungsvoll, endlich mehr über Franz Marder und seine Geschichte zu Charlottes Weggang und ihren jetzigen Aufenthaltsort zu erfahren, drückte sie den Klingelknopf.
    Sie fluchte, als sich auch nach mehrmaligem Klingeln im Haus nichts rührte, weder Geräusche noch Maria Reisingers Stimme zu hören waren. Mir kommt es fast so vor, als wolle jemand nicht, dass man hinter ein gut und vor allem lang gehütetes Geheimnis kommt, überlegte sie und sie fragte sich, warum ihr gerade jetzt der bekannte Ausspruch „Lasst die Toten ruhen“ einfallen musste.
    Resigniert lief sie die Auffahrt hinunter. An der Straße angekommen schwenkte sie direkt in die Hofeinfahrt der Nachbarn hinein. Vielleicht wissen ja die Nachbarn, wo Maria ist oder wann sie wieder nach Hause kommt, dachte Emma, während sie bei den Trötschlers – wie sie dem Namensschild neben der Tür entnehmen konnte – klingelte. Es dauerte keine 20 Sekunden, als ihr eine freundliche, aber etwas gehetzt wirkende Frau die Tür öffnete. Sie wischte sich gerade die Hände an einem Geschirrtuch ab.
    â€žJa, bitte?“
    â€žIch heiße Emma Hansen und war auf dem Weg zu Maria Reisinger. Doch bei ihr öffnet niemand. Wissen Sie zufällig, wann sie wiederkommt?“, fragte Emma geradeheraus.
    â€žOh, dass weiß ich auch nicht. Warten Sie mal, was haben wir heute für einen Tag?“
    â€žSonntag.“
    â€žSonntag, stimmt. Da ist Maria immer unterwegs. Meistens trifft sie sich dann mit Freundinnen oder fährt zu ihrer Schwester nach Stuttgart. Und das kann dann spät werden, obwohl sie morgen wieder früh raus muss.“
    Die Nachbarn wissen aber auch wirklich alles, dachte Emma und grinste.
    â€žKann ich der Maria denn etwas ausrichten? Vielleicht sehe ich sie ja heute Abend doch noch.“
    â€žDas wäre wirklich super nett. Richten Sie ihr bitte aus, dass ich unbedingt mit ihr sprechen muss. Dringend!“, sagte Emma und lächelte die Frau milde an in der Hoffnung, dass ihr Gegenüber diese Aussage jetzt einfach so hinnehmen würde, ohne neugierig nachzufragen oder irgendwelche Mutmaßungen anzustellen. Aber ihre Hoffnung sollte nicht lange bestehen.
    â€žDas klingt jetzt aber ernst. Ist etwas passiert oder kann ich weiterhelfen?“, bot sich die Frau an, von der Emma den Eindruck hatte, dass sie wirklich helfen wollte, wenn sie denn konnte. Und dennoch brauchte sie einfach nicht zu wissen, weswegen Emma Maria Reisinger unbedingt sprechen musste. „Nein, nein, so ernst ist es nicht. Nur dringend. Ich wohne bei Villingers im ersten Apartment. Da kann sie mich erreichen – auch jederzeit auf meinem Handy“, sagte Emma, notierte ihre Telefonnummer auf einem Blatt ihres Blocks, riss es ab, reichte es ihrem Gegenüber und verabschiedete sich höflich, aber bestimmt von Marias Nachbarin, die eigentlich noch etwas hätte antworten wollen, aber von einer lauten Männerstimme und einem piependen Backofensignal zurück ins Haus gerufen wurde.
    Emma fühlte sich wie in einem Vakuum, als sie das Haus der Villingers erreichte. Irgendwie war alles vage, unsicher, und doch war sie mittendrin. Sie versuchte krampfhaft, an einen Rand des Vakuums zu kommen. Aber je mehr sie mit ihren Armen ruderte, desto mehr entfernte sich die Wand des Raumes, der ihr eigentlich eine gewisse Geborgenheit geben sollte. Und doch war schon lange nichts mehr so, wie es einmal war. Sie wollte gerade die Tür zu ihrem Apartment aufschließen, als eine ältere Frau mit mehr weißen als grauen Haaren aus der danebenliegenden Wohnung kam. Bekleidet mit einem

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