Und nie sollst du vergessen sein
bei seiner Tat gestört haben. Aber als ich mich beruhigt habe und noch einmal auf den Toten so hinab sah, wie er da im Wasser lag, da ist mir aufgefallen, dass er so ungewöhnlich im Wasser lag.â
âWas meinen Sie mit ungewöhnlich?â
âNa ja, er hätte niemals so hineinfallen können, wenn er am Ufer einen Schlag auf den Hinterkopf bekommen hätte. Verstehen Sie, was ich meine? Auf jeden Fall meinte Herbert, mein Mann, der Mann sei nach einem Saufgelage unglücklich über einen groÃen Ast gestolpert, hingefallen und mit seinem Kopf auf einen Stein geschlagen, anschlieÃend beim Aufrappeln ins Wasser gestürzt und dabei ertrunken. Aber ich glaube das nicht. Denn da war kein Stein, jedenfalls kein so groÃer. Ich wollte nichts sagen, weil ich zu viel Angst hatte, dass mein Mann mich für verrückt erklärt und die Polizei hat mich schlieÃlich auch nicht danach gefragt ...â
âWieso nicht?â, unterbrach Emma die Ausführungen ihrer Apartment-Nachbarin.
âKeine Ahnung. Vielleicht, weil wir den alten Mann ja nur gefunden haben. Aber die Beamten sagten uns, dass wir uns für weitere Nachfragen bereithalten sollen. Keiner weiÃ, wie lange wir der Polizei zur Verfügung stehen müssen. Aber zum Glück sind wir ja Rentner und haben Zeitâ, sagte Luise Kampmann und lächelte dabei gequält. Sie war mittlerweile in den Vorratsraum eingetreten, hatte Licht gemacht und suchte die Reihen nach dem von ihrem Mann gewünschten Getränk ab. âDie Auswahl ist ja riesigâ, bemerkte sie und ging in die Hocke, als sie meinte, das richtige Bier gefunden zu haben.
Emma war ihr gefolgt. âHaben Sie sonst noch irgendetwas beobachtet?â, fragte sie nun.
âAlso, na ja, lassen Sie mich kurz nachdenkenâ, sagte sie, während sie sich langsam aus ihrer Hocke erhob.
âWissen Sie, ich bin dem Mann, der da tot im See lag, erst gestern Morgen begegnet. Wobei, es war nicht wirklich eine Begegnung, denn er hat mich genauso erschreckt wie Sie mich vorhin. Wie dem auch sei, ich bin gestern wie immer die kleine Abkürzung an der Kirche entlang gegangen. Auf einmal hörte ich, wie der Mann auf der Treppe der Kirche lag und irgendetwas brabbelte. Da ich nicht wirklich was verstehen konnte, weià ich nicht, ob das für mich bestimmt war. Sein Gelalle war einfach völlig zusammenhangslos und nicht zu entschlüsseln.
Es war wohl der Alkohol, der aus ihm sprach ...â
âUnd weiter?â, unterbrach Emma, die dringend auf Toilette musste und schon anfing, von dem einen auf das andere Bein zu hüpfen.
âOh, verzeihen Sie, ich schweife wohl ab. Auf jeden Fall habe ich gesehen, wie er in der einen Hand eine billige Flasche Schnaps hin- und herschwenkte. Und auch um ihn herum und direkt im Eingangsbereich der Kirche standen einige Flaschen â von der ganz billigen Sorte.â
âDas ist jetzt aber keine groÃe Ãberraschung. SchlieÃlich war der Mann ja ein Alkoholiker.â
âDas ist richtig. Aber wenn man immer so harte Sachen trinkt, dann verwundert es einen schon, warum er eine Bierflasche in der Hand hielt, als er da so lag.â
vierundzwanzig
An diesem Sonntag hatte Maria Reisinger am Morgen zuerst den Gottesdienst in St. Stephan besucht, ehe sie anschlieÃend das Grab ihrer Mutter Hanna so gut es ging von Nadeln und einigen kleinen Ãsten befreit hatte, die über Nacht von der an der Kopfseite der Grabstätte stehenden Tanne heruntergefallen waren.
âDen Rest muss ich morgen machenâ, sagte sie zu sich, als sie alles mit beiden Händen zusammenschob, um es anschlieÃend auf den Komposthaufen neben dem kleinen Brunnen und dem Ständer mit den GieÃkannen zu werfen. Als gute Katholikin gehörte es sich einfach nicht, am Tag des Herrn zu arbeiten und schwere Aufgaben zu verrichten, schmutzige schon gerade zweimal nicht. Das Pflegen des Grabs gehörte zweifelsohne dazu, obwohl es für Maria Reisinger auch immer etwas von Entspannung hatte, die letzte Ruhestätte ihrer Mutter zu pflegen und dabei in ein leises Zwiegespräch mit ihr zu treten. Ungestört, in ihrer eigenen Welt versunken und sich nur mit der Pflege des Grabs beschäftigend, war sie wie in einer anderen Welt. Nichts war schlimmer, als wenn man sie dabei ansprach oder gar störte.
Nachdem sie das Grab vom Nötigsten gesäubert hatte, war sie nach Hause gegangen und hatte sich
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