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Und nie sollst du vergessen sein

Und nie sollst du vergessen sein

Titel: Und nie sollst du vergessen sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Boehm
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gemischt, und mit einer ordentlichen Portion Sahne, ans Freibad, Cabrio ausfahren und daran, seine geliebten Schönheiten endlich wieder auspflanzen und in das Freiluftbeet setzen zu können, während er dabei war, in seinem Holzschuppen den Flüssigdünger in eine Sprühflasche mit Wasser einzurühren.
    Wie schön das doch jetzt wäre, überlegte er und ein Lächeln umspielte seine schmalen Lippen. Und doch hatte er heute etwas noch viel Größeres vollbracht. Etwas, das sein Leben noch viel schöner machte. Ein gutes Gefühl, alles in der Hand zu haben. Verantwortung zu übernehmen und dafür auch geradezustehen, falls mal etwas schiefgehen würde. Aber es war – wie immer – nichts schiefgegangen, dafür war er zu gut vorbereitet gewesen und hatte im richtigen Augenblick seine ganze mentale Kraft aufgebracht.
    Eine Kraft, die tief in ihm schlummerte und die er selbst fast nicht für möglich gehalten hatte. Vor allem sein Vater hatte nie an ihn geglaubt, wenn es darum ging, dass aus ihm einmal ein richtiger Kerl würde, der, wenn es darauf ankam, auch mit der nötigen Kraft sein Ziel erreichen würde. Früher hatte sein Vater ihn oft als Luftpumpe, Flasche oder Weichei bezeichnet. Nicht männlich genug, keinen Schwanz in der Hose, wenn es darum ging, das Leben in die eigene Hand zu nehmen, dafür einzustehen und auch mit den möglichen Konsequenzen zu leben. Aus ihm würde nie etwas werden, er sei die Schande der Familie, man müsse sich für ihn schämen – das waren nur einige von unzähligen Vorhaltungen und Beschimpfungen, die er sich über so viele Jahre hatte anhören müssen. Noch heute, als er längst erwachsen war und die Mutter sie verlassen hatte, sparte der Vater nicht an Vorwürfen. Doch dieses Mal wäre der Vater mehr als stolz auf mich, dachte er, auch wenn er wusste, dass ihm sein Vater und dessen Belange eigentlich egal waren. Er hasste seinen Erzeuger nicht – so wie früher, als er nach einer schmerzhaften Ohrfeige aufs Zimmer geschickt worden war oder sich nach einer weiteren schlechten Note eine gehörige Standpauke mit den üblichen Hasstiraden hatte anhören müssen. Sein Vater war ihm einfach keinen Gedanken wert. So, als ob in China ein Sack Reis umfiele, dachte er, und wieder lächelte er der Sonne entgegen, als er zu seinem Heiligtum ging.
    Wie sein Vater, so war ihm auch Maria Reisinger mehr als gleichgültig gewesen. Während er den alten Bauern fast noch ein wenig gemocht hatte – immerhin hatte dieser ihn immer stets mit einem gewissen Mindestmaß an Respekt behandelt –, so war doch die vorwitzige Tratschtante über das Dorf hergefallen wie eine der zehn biblischen Plagen über Ägypten. In alles musste sie ihre neugierige Nase stecken, sie wusste immer Bescheid, nein, sie wusste sogar alles besser, und wenn es mal ausnahmsweise nicht um ihre Person ging, dann tat sie alles dafür, um sich – profilneurotisch und anerkennungssüchtig, wie sie nun einmal war – optimal und mit dem entsprechenden Applaus in den Vordergrund zu spielen. Aber das war, Gott sei Dank, ein für alle Mal vorbei, und die Nöggenschwieler dürften ihm dankbar sein, dass er sie von dieser Seuche nun endgültig befreit hatte.
    Auch seine Probleme gehörten nun der Vergangenheit an. Zufrieden mit sich und der Welt öffnete er vorsichtig ein Dachfenster des Gewächshauses, sammelte einige Rosenblätter auf, begoss seine Lieblinge mit dem speziellen Winterdünger und kehrte mit einem Handbesen die Steine sauber, auf denen man durch seinen Glaspalast wandelte. Denn die Beete durften auch von ihm nicht betreten werden.
    Er grübelte. Ein leiser Zweifel beschlich ihn, während er die Kerze im Windlicht zurechtrückte. Fast hätte er sich an ihrer Flamme verbrannt.
    â€žIch muss aufpassen“, sagte er laut. Doch er meinte nicht das brennende Kerzenlicht, auf das er hätte besser achtgeben müssen, um seine Finger nicht zu verbrennen.
    Mit seinen blauen Augen fixierte er das helle Licht. Er versank in der Flamme und ließ sich treiben. Ziellos, aber nicht planlos. Denn sein Leben in die Hand zu nehmen hatte etwas Besonderes, da musste er seinem Vater recht geben. Und er hatte auch schon einen neuen Plan.
    Einen teuflisch guten sogar.
    Und wieder lächelte er.

einunddreißig
    Emma rieb sich die Schläfen. Ein kurzer, aber heftiger Kopfschmerz

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