Und nie sollst du vergessen sein
brannte hinter ihren Augen. Sie versuchte, den Migräneanfall irgendwie zu ignorieren, sich zu konzentrieren und ihre Gedanken zu ordnen.
War es nicht der Bauer, der angeblich gewusst hatte, wo sich ihre Freundin befand und der nun tot, ermordet worden war? Und war es nicht Maria Reisinger, die als Einzige an Franz Marders Geschichte geglaubt hatte, und jetzt war auch sie tot. Emmas Gedanken kreisten nun schon seit Tagen um ihre Freundin und um die Frage, was mit Charlotte passiert war und warum dafür sogar zwei Menschen sterben mussten. Denn eins war klar, und das sagte ihr nicht nur ihre berufliche Intuition, sondern auch ihr klarer Menschenverstand: Franz Marder und Maria Reisinger waren nicht willkürlich, sondern absolut vorsätzlich und aus Berechnung ermordet worden. Sie waren die Einzigen, die etwas über Charlottes Verbleib wussten oder zumindest eine Ahnung davon hatten, was in der Nacht des Rosenballs vor 15 Jahren geschehen war.
Und genau das war ihnen zum Verhängnis geworden. Das berechnende Böse war nun also auch hier oben in der heilen Welt zwischen Rosen und Rindern, Wiesen und Feldern angekommen, nur um ein Geheimnis zu bewahren, das bereits seit mehr als 15 Jahren in einem ewigen Dornröschenschlaf lag. Aber was war das für ein Geheimnis, für das der- oder diejenige sogar über Leichen ging? Und vor allem, waren der alte Bauer und die Lädele-Verkäuferin wirklich die einzigen Menschen, die das Geheimnis kannten? Oder gab es noch jemanden, der etwas ahnte, vielleicht sogar wusste, und damit dem Mörder gefährlich werden konnte?
Vielleicht konnten ihr die ermittelnden Kollegen weiterhelfen, schlieÃlich mussten ja auch sie eins und eins zusammenzählen können, wenn es darum ging, einen Zusammenhang zwischen den beiden Opfern herzustellen. So ging sie, wie keine 24 Stunden zuvor, die Hofeinfahrt entlang in Richtung Haus.
âHabe ich nicht gesagt, dass die Presse hier nichts zu suchen hat?â, fragte Karl Strittmatter, der gerade aus der Tür trat, als er Emma erblickte. âEs gibt heute Nachmittag um 15 Uhr eine Pressekonferenz, auf der alle Einzelheiten bekanntgegeben werden und wo sie Ihre Fragen stellen können.â
âIch wollte Ihnen keine Fragen stellen, Herr Kollegeâ, blaffte Emma zurück, die mit einer so heftigen Reaktion nicht gerechnet hatte, um sich im gleichen Atemzug wieder zusammenzureiÃen, wusste sie doch, dass sie bei solchen Menschen wie ihrem Gegenüber nicht Feuer mit Feuer bekämpfen konnte, wollte sie an ihr Ziel kommen und etwas erfahren.
âKollegin? Ich habe Sie hier noch nie gesehen.â Karl Strittmatter betrachtete argwöhnisch Emmas Dienstausweis, den sie ihm entgegenstreckte.
âAh, Besuch aus Ludwigshafen. Was hat denn eine Kollegin aus Rheinland-Pfalz bei uns im Schwarzwald verloren?â
âIch kann Sie beruhigen. Ich verbringe hier nur für einige Tage meinen Urlaub und wollte Ihnen ...â
âDann erholen Sie sich gut, Kollegin. Wir kriegen das hier auch alleine hinâ, unterbrach Karl Strittmatter, der mit einem flüchtigen Blick auf ihren Dienstausweis sah, dass Emma, obwohl mehr als 20 Jahre jünger als er selbst, bereits den gleichen Dienstgrad erreicht hatte und damit aus seiner Sicht eine ausgewiesene Streberin war. Und solche Menschen konnte er überhaupt nicht leiden.
âIch ...â, startete Emma einen neuen Versuch, aber Karl Strittmatter war schon auf dem Weg zum Kellereingang. Was hat der denn für Minderwertigkeitskomplexe, dachte Emma, während sie sich verärgert umdrehte. Wenn der Kollege nicht will, dann probiere ich es eben bei seinem Chef. Irgendjemand wird mir schon helfen. Aber vorher muss ich nochmal mit Reinhold Nägele sprechen, dachte sie, als sie bereits auf die StraÃe getreten war.
Beinahe hätte sie das Auto übersehen, das mit groÃer Geschwindigkeit den Rosenweg hinaufgefahren kam. Im letzten Moment und mit quietschenden Reifen schaffte es der Fahrer gerade noch, den weiÃen Wagen nur wenige Zentimeter vor ihr zum Stehen zu bringen.
âPassen Sie doch auf, wo Sie hinlaufenâ, schimpfte der Mann, als er die Autotür öffnete.
âSie hätten doch genauso gut aufpassen können. AuÃerdem sind innerorts 50 km/h erlaubt und keine 80â, erwiderte Emma und musste gleichzeitig schmunzeln, als sie den Schriftzug der regionalen Tageszeitung âHochrhein-Kurierâ auf der
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