Und nie sollst du vergessen sein
sah, dass die Tür mit einem schweren Schloss versehen war.
Komisch, aber warum schlieÃt denn jemand sein Gewächshaus ab? fragte sich Emma. Sie war schon auf dem Weg zum Schuppen, der am anderen Ende des Gartens stand, als sie plötzlich ein Auto über den Kiesweg der Einfahrt kommen hörte.
Ohne groà zu überlegen machte sie auf dem Absatz kehrt, lief schnell an der Wildrosenhecke entlang zurück zu den Rhododendronbüschen, durch die sie wenige Minuten zuvor gekommen war, schlüpfte durch das Loch, kletterte über den Jägerzaun und war schon fast auf der anderen Seite der Hecke, als ihr Mobiltelefon klingelte.
âHallo.â Emma pustete schwer, als sie den Anruf annahm.
âHallo meine Kleine. Hier ist dein Vater.â Emma schluckte, als sie Knut Hansens Stimme hörte.
âWie geht es dir?â
Emma wollte gerade ansetzen, da sprach ihr Vater bereits weiter: âSicherlich hast du es schon von deiner Mutter erfahren. Aber ich wollte es dir gerne auch persönlich sagen. Du bekommst ein kleines Geschwisterchen.â Knuts Stimme überschlug sich fast vor Begeisterung, während sich Emmas Gesichtsausdruck verfinsterte und sie nicht genau wusste, was sie jetzt sagen sollte, wollte sie sich nicht im Ton vergreifen. âHallo? Bist du noch dran oder hast du jetzt vor Schreck den Hörer aus der Hand fallen lassen?â Knut scherzte. Doch er ahnte nicht, wie sehr seine Worte Emma verletzten.
âMusste das sein?â
âWas?â Knut schien mehr als fassungslos zu sein.
âHabe ich das jetzt richtig gehört? Was heiÃt hier âmusste das seinâ? Ich bin glücklich mit Luciana und wir wollten dieses Glück nun mit einem Kind krönen.â
âLuciana?â Emma war entsetzt.
âJa, Luciana. Sie ist Brasilianerin.â Also ganz anders als Mama, fügte Emma sarkastisch in Gedanken hinzu.
âWir haben uns auf einer Kreuzfahrt kennengelernt, ich war Gast, sie eine Tänzerin. Wir haben dort sehr viel Zeit miteinander verbracht und da ist es dann passiert.â
Emma traute ihren Ohren kaum. Doch das Schlimmste war, dass ihr Vater jetzt so gar noch von ihr erwartete, dass sie sich für ihn freute und die glückliche Tochter spielte.
âNa ja, wie dem auch sei. Wegen mir hat sie ihren Job gekündigt, lernt fleiÃig Deutsch in der Volkshochschule und wird ab Februar erst einmal zu Hause und für das Baby da sein, wenn es dann im März zur Welt kommt.â
âUnd was willst du jetzt von mir hören?â Emma erhob ihre Stimme. Ihr Vater war nie für sie da gewesen. Nun wollte sie auch nicht für ihn da sein und sich mit ihm freuen. Ihm war es mehr als gleichgültig gewesen, dass er sie um eine glückliche Kindheit gebracht hatte, als er sich für seinen Job als Ingenieur auf Montage und damit gegen ein geregeltes Familienleben entschieden hatte. Dass er dann auch noch die Familie ganz verlieÃ, war nur noch eine Frage der Zeit gewesen. Da halfen auch nicht die Friedensangebote, die die Familie alljährlich in den Südschwarzwald führten, wo doch alle, ihre Mutter, ihr Bruder und natürlich sie selbst, wussten, dass er mehr als nur eine Freundin in der groÃen weiten Welt hatte, von denen jede sehnsüchtig darauf wartete, dass er für immer zu ihr kommen würde. Und nun sollte sie sich für ihn freuen? Das konnte sie einfach nicht. Nie im Leben.
âNichts, Emma, gar nichts. Mir war es eben wichtig, dir das zu sagen und so unser Verhältnis wieder zu verbessern. Ich würde mich auf jeden Fall sehr freuen, wenn wir wieder mehr Kontakt hätten. Und Luciana auch. Sie würde dich so gerne kennen lernen. SchlieÃlich seid ihr ja in einem Alter.â
âPapa ...â Emma schaltete ihr Telefon aus und fasste sich unversehens an den Kopf. Ihre Migräne war wieder da und lieà ihren Kopf fast zerplatzen.
sechsundvierzig
Richard Sutherfolk parkte seinen Leihwagen direkt vor dem Lädele. Für einen Moment schloss er die Augen, ging in sich, atmete mehrmals tief ein und aus, ehe er ausstieg und seinen Freund Reinhold Nägele aufsuchte, der als Gemeinderatsmitglied im groÃen Saal des Rathauses die heutige Gemeinderatssitzung vorbereitete.
Der blaue Himmel war verschwunden und an seiner Stelle hatte sich eine Wolkendecke ausgebreitet, die nichts Gutes erahnen lieÃ. Ãber die Rheinebene hatte sich bereits ein zäher und dichter Nebel
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