Und nie sollst du vergessen sein
sich auf den nur einlassen können?
Emma schüttelte sich, so unsympathisch und in seinem ganzen Auftreten und Gehabe einfach nur unangenehm und schmierig fand sie den Engländer.
Es scheint, als habe Charlotte mehr Geheimnisse gehabt, als ich ihr jemals zugetraut hätte.
René sah Emma an. Ein bitteres Lächeln umspielte seine Lippen.
âUnd alle wussten Bescheid in unserem schönen, romantischen, verträumten Nöggenschwiel. Nur: Niemand hat den Mut oder die GröÃe besessen, es mir zu sagen. Viel lieber log man mir ins Gesicht und brüstete sich mit mir als einem wohlerzogenen Sohn aus reichem Elternhaus, der in Zukunft hier sicherlich einiges finanziell auf Vordermann bringen und den Ort touristisch noch bekannter machen würde.â
Emma war sprachlos. Ungläubig schaute sie abwechselnd von René hin zu dem Grab, von dem sie wenige Minuten zuvor gekommen waren, und wieder zurück. Eine sanfte, aber eisige Brise strich über die Gräber, verfing sich in den kargen Ãsten und Zweigen der Bäume und spielte mit den Blumen und Gestecken, die die Gräber schmückten. Der Ort hatte etwas von einer Idylle, von einer Harmonie, die all die Sorgen, Ãngste und Nöte zudeckte, um sich für einige Augenblicke von der unendlichen Einfachheit des Seins umflieÃen zu lassen.
Und doch fror Emma. Die Kälte, die sie im Innern spürte, gesellte sich zu dem gerade Gehörten und beide verschmolzen zu einem Gefühl von Ohnmacht und Hilflosigkeit.
âSchöne heile Welt, nicht wahr?â
âIch, na ja, â¦â Emma stotterte, ehe sie die richtigen Worte fand.
âAber warum hast du damals nicht nach Charlotte gesucht, wenn du jedem versichert hast, dass sie nicht bei dir ist?â
âWieso sollte ich? Ich hatte damals direkt nach unserem Streit mit ihr Schluss gemacht, bin zum Auto gegangen und davongerast. Für mich waren Charlotte und Nöggenschwiel seitdem gestorben. Abgesehen von meinem alljährlichen Besuch hier am Grab von Oma Maga Metzger.â Er hatte sich noch einmal in Richtung Grab umgedreht und genoss die leichte Brise, die mit seinen Haaren spielte.
âWie dem auch sei: Es scheint, als habe sich jemand bereits an Charlotte gerächt â und nicht nur an ihr.â
René holte tief Luft. Und dennoch glaubte Emma, seine Gesichtszüge hätten sich unmerklich aufgelockert. Er schaute sie aus seinen dunklen Augen an. Emma hatte das Gefühl, als würde sie ein zartes Aufblitzen in ihnen erkennen. Eines, das anstatt Trauer Freude in sich barg. Und auch Renés Mundwinkel schienen sich â wenn auch nur unmerklich â zu einem Lächeln zu formen.
âIch kam leider zu spät.â
vierundvierzig
Er wusste nicht, was es war, aber er liebte Nöggenschwiel, diesen kleinen, verwunschenen Ort mit seinen liebenswürdigen Menschen, die allesamt ausgesprochene Rosenliebhaber waren und das auch jedem zeigten, der ihr abgelegenes Dorf besuchte. Schon das Rosenspalier an der ersten StraÃenkreuzung war über und über mit Rosenranken bewachsen. Selbst jetzt, im trostlosen Todesmonat November, der mit seiner deprimierenden Stimmung, dem verhangenen Himmel und den dichten Nebelbänken keiner Pflanze den Hof zu machen schien, konnte man erahnen, welch eine Schönheit und Pracht im Frühjahr wieder zum Vorschein kommen würde.
Das lag vor allem auch an der liebevollen Rosenpflege der Nöggenschwieler Einwohner. Denn die meisten hatten nicht nur unzählige Rosen im eigenen Garten stehen, die sie hegten und pflegten, nein, sie übernahmen sogar noch als Rosenpaten ein Beet, ein Spalier oder eine Hecke an einer der vielen öffentlichen und für jedermann zugänglichen Plätze, Gärten und Kreuzungen. Es war dieses Wir-Gefühl, das Richard Sutherfolk so bewunderte und schätzte und vor dem er eine so unausgesprochene Hochachtung hatte, dass er immer wieder gern ins Rosendorf zurückkam.
Er lächelte, als er an die schwere hölzerne Haustür des Nägeleschen Anwesens trat und auf die aus Messing bestehende Klingel drückte. Es dauerte fast eine Minute, bis jemand angeschlappt kam und die Tür öffnete.
âJa â¦? Ach du bist es.â Gerald Nägele machte ein verdutztes Gesicht, als er Richard Sutherfolk musterte, der mit seinem dunkelbraunen Mantel, dem schwarzen Seidenschal und der perfekt gebügelten Falte seiner anthrazitgrauen Stoffhose so gar
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