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Und nie sollst du vergessen sein

Und nie sollst du vergessen sein

Titel: Und nie sollst du vergessen sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Boehm
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gelegt, der in wenigen Stunden auch die Höhen des Südschwarzwaldes erreichen würde. Das Wetter und vor allem die Nebelbänke erinnerten ihn an seine Heimat in Cornwall, und doch war der Nebel hier von einer besonderen Qualität.
    Nun hoffte er inständig, dass sein Freund ihn nicht verstoßen würde, nachdem er mit ihm gesprochen hatte. Obwohl er normalerweise nicht betete, so schickte Richard doch ein kleines Stoßgebet gen Himmel, bevor er vorsichtig die Treppenstufen des Rathauses hinaufging. Die Kirchenuhr schlug gerade vier Mal und im Lädele wurde die Tür aufgeschlossen. Einige Leute warteten bereits mit ihren Einkaufskörben und -taschen und freuten sich, vergessene Kleinigkeiten vom Großeinkauf am Morgen besorgen zu können oder den neuesten Dorfklatsch zu erfahren.
    Nach den beiden Todesfällen war auch in Nöggenschwiel langsam wieder der Alltag eingekehrt. Ob Gemeinderatssitzung oder die Wiedereröffnung des kleinen Dorfladens – auch im Rosendorf musste das Leben weitergehen.
    Reinhold Nägele stand mit Blickrichtung zur Tür. Er sortierte Bebauungspläne und neue Gemeindestatistiken zu den Themenbereichen Tourismus, Landwirtschaft und Gewerbe, die der Ortsbeirat vor einem Jahr in Auftrag gegeben hatte.
    â€žHallo, mein Lieber. Schön, dich zu sehen“, begrüßte Reinhold Nägele seinen alten Freund.
    â€žGehts dir gut? Du siehst heute ein wenig blass aus um die Nase.“ Er lächelte und bückte sich nach einem Dokument, das kurz zuvor auf den Boden gesegelt war, nachdem Richard – von einem Windhauch begleitet – in den Sitzungssaal eingetreten war.
    â€žIch war bei dir zu Hause, und Gerald sagte mir, dass ich dich hier finde.“ Richard versuchte sich offensichtlich Mut anzureden.
    â€žUnd nun hast du mich gefunden, alter Knabe.“ Reinhold lächelte sanft.
    â€žWorüber sprecht ihr heute Abend?“
    â€žDas darf ich dir leider nicht verraten, aber selbst wenn, du würdest dich doch sowieso nicht dafür interessieren. Warum fragst du also?“ Reinhold schaute seinen Freund irritiert an.
    â€žVielleicht würde es mich ja doch interessieren, wenn es beispielsweise um Rosen ginge.“
    â€žWir reden in den Sitzungen selten über Rosen, außerdem ist die Saison doch längst vorbei, wie du als gefragter Züchter sicherlich weißt.“
    Richard schloss andächtig die Tür. Es hilft nichts, ich muss es ihm endlich sagen, dachte er. Er räusperte sich geräuschvoll, als er an seinen Freund herantrat.
    â€žEs ist lange her, aber als mein ältester und bester Freund habe ich mir vorgenommen, immer ehrlich zu dir zu sein. Auch, wenn die Wahrheit vielleicht nicht immer das ist, was man hören will.“
    Reinhold, der gerade Stapel verschiedener Dokumente anhäufte – für jedes Ratsmitglied einen – hielt inne, schaute seinen Freund fragend an und zog sich einen Stuhl heran. „Vielleicht setze ich mich besser.“
    â€žIch war naiv, vielleicht dumm und auf jeden Fall blind. Blind vor Liebe, als ich mich damals darauf eingelassen habe. Es begann damals, als sie mich in Cornwall über das verlängerte Wochenende besuchte. Sie war ja schon 16 und wirkte viel älter. Na ja, und wir hatten schöne Tage, gingen gut essen, machten lange Spaziergänge, waren tanzen und shoppen, was halt junge Mädchen gerne machen. Und dabei haben wir uns ineinander verliebt.“
    Reinhold Nägele schluckte. Es hatte das Gefühl, als würde jemand gerade seine Anklageschrift für ein Verbrechen verlesen, das er gar nicht begangen hatte.
    Richard räusperte sich erneut. Er schaute beiläufig durch das Fenster. Er sah ein junges Teeniepaar, das verliebt über den Rathausplatz schlenderte und dabei kichernd durch die neueste Ausgabe der Bravo blätterte.
    â€žVon da an begann eine wunderbare Zeit, die fast zwei Jahre andauerte. Wir telefonierten wann immer es ging, da wir uns ja nicht so oft sehen konnten. Obwohl ich versucht habe, so oft wie möglich nach Nöggenschwiel oder – damit es nicht so auffiel – nach Zürich zu kommen. Mich hat es immer gewundert, dass du nie gefragt hast, warum ich so oft bei euch war. Ich dachte, ich hoffte vielleicht – und da komme ich mir wieder wie ein kleiner dummer Junge vor – dass du etwas von unserer Liaison wusstest, sie sogar gutgeheißen würdest. Schließlich hatte ich Geld, ein

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