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Und nie sollst du vergessen sein

Und nie sollst du vergessen sein

Titel: Und nie sollst du vergessen sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Boehm
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anstarrten, als sie nach dem Einkauf im Lädele zu ihren Fahrzeugen gingen. Er hörte sich noch nicht einmal atmen. Es war, als befände er sich in einem Vakuum, ein Nichts, das ins Nichts geworfen wurde. Alles um ihn herum war still. Starr. Tot.
    Immer wieder fragte er sich, warum sein alter Freund Richard ihn nur so hatte verraten können. Und warum er ihm jetzt, nach 15 Jahren, die Wahrheit, die bittere Wahrheit hatte sagen müssen. War es nicht schon genug Seelenschmerz, dass seine über alles geliebte Charlotte ihn von jetzt auf gleich und ohne ein Wort des Abschieds, verlassen hatte? Musste Richard ihm jetzt auch noch die Illusion von Reinheit, von Unversehrtheit, von ewig schöner Unberührtheit nehmen, von der er all die Jahre immer ausgegangen war, obwohl nicht zuletzt die Polizei, seine Freunde und Bekannten und auch fast alle hier im Ort längst zu einer anderen Ansicht gelangt waren?
    Nur langsam und äußerst widerwillig erhob er sich von seinem Stuhl. Es war schon spät und es würde es nicht mehr lange dauern, bis die ersten Gemeinderatsmitglieder im Rathaussaal einträfen. Doch er wollte jetzt niemanden sehen, niemanden hören und sich erst recht mit niemandem unterhalten.
    Als er durch den Flur ging, nahm er verschwommen wahr, wie jemand sich nach seinem Zustand erkundigte, ob mit ihm alles in Ordnung sei und ob er ein Glas Wasser haben wolle. Es war wohl auch die gleiche Person – bestimmt die Lädele-Verkäuferin Rita Bächle –, die ihm riet, er solle sich hinlegen und ausruhen. Aber es war ihm egal. Sich hinlegen? Ausruhen? Wofür? Seine Welt war zerstört. Zum zweiten Mal. Doch dieses Mal endgültig. Was sollte da noch kommen? An ein Wunder konnte er schon längst nicht mehr glauben und er wollte es auch nicht mehr.
    Er merkte nicht, wie eine Frau ihm leicht verstört hinterher starrte und dabei immer wieder den Kopf schüttelte, als er ins Freie trat. Er wusste nicht, was er tun, wohin er gehen, wofür er noch leben sollte.
    Erst die Glocken von St. Stephan rissen ihn aus dieser Geistesabwesenheit, in der er gehofft hatte, allem zu entkommen. Doch dem war nicht so. Als er wieder langsam in die Realität und in die Welt der klaren Gedanken zurückkehrte, nahm er als erstes einen Schmerz wahr, der ihn durchschoss wie ein Blitz, der in einen Baum fährt und diesen für alle Zeit entzweit. Bedrohlich donnernd schlugen die Glocken sechs Mal. Der Platz vor dem Rathaus war leer. Nur eine Laterne brachte ein klein wenig Licht. Doch der Nebel war schier undurchdringlich und nur die wenigen Zentimeter um den Lichtkegel herum waren wirklich erleuchtet. Auch hinter den Fenstern des gegenüberliegenden Hauses brannte kein Licht. Einzig in den hohen Kirchenfenstern der Pfarrkirche flackerten einige Kerzen hinter den mosaikartig angeordneten Glassteinen.
    Schon als Kind hatte ihn die außen eher schlicht gehaltene Kirche von St. Stephan fasziniert, war sie doch immer sein Zufluchtsort gewesen, wenn ihn sein älterer Bruder geärgert oder ihn seine Eltern zu Unrecht bestraft hatten und er wieder mit einer gehörigen Tracht Prügel zu rechnen hatte.
    Wie in Zeitlupe betrat er das rechteckige Schiff der spätbarocken Kirche. Niemand war zu sehen. Allein, endlich allein, dachte er und ließ sich in die kühle Stille des Gebäudes fallen. Die Altarkerzen, deren zartes Licht er schon vom Rathausplatz aus gesehen hatte, flackerten leicht. Der süße und intensive Duft von Weihrauch lag in der Luft.
    Als er sich in eine Bank setzte, knarzte das Holz. Fast schon ehrfürchtig schaute er sich um, doch es gab niemanden, der ihn hätte ermahnen oder mit einem bösen Blick hätte tadeln können, wie es seine Mutter immer getan hatte, wenn er sich als kleiner Junge zu laut auf die Bank fallen gelassen, zu stürmisch die Seiten des Gesangbuches umgeblättert oder zu inbrünstig „Amen“ gerufen hatte.
    Er konnte nicht genau sagen, ob es die eher schlichte Architektur der Kirche, die opulenten Deckengemälde oder das detailverliebte Gemälde der Steinigung des heiligen Stephanus auf dem Hochaltarblatt war, das ihn so sehr faszinierte.
    In den vergangenen Jahren hatte er viele Menschen beobachtet, wie sie die Kirche und ihren schmuckvollen Sakralraum aus allen nur erdenklichen Winkeln fotografiert hatten, erwartete doch niemand in einem so abgelegenen Dorf eine derartig prunkvolle Schönheit.
    Besonders das

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