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Und nie sollst du vergessen sein

Und nie sollst du vergessen sein

Titel: Und nie sollst du vergessen sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Boehm
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nach dem Schmuckstück. Doch er hielt inne, als er es auf dem Boden liegen sah. „Woher hast du das?“, fragte er Emma überraschend barsch. „Was meinst du mit ‚Woher hast du das’?“ Sie schnäuzte sich kräftig. Dabei fielen ihr einige blonde Strähnen ins Gesicht und sie musste ihre Haare erst einmal hinter ihre Ohren schieben, um sich dann erneut ihrer Nase widmen zu können.
    â€žIch will wissen, wo du diesen Rosenanhänger herhast.“ In seine Stimme mischten sich Wut und Verzweiflung, während Emma ihn nur ungläubig anschaute und sich noch einmal die Nase mit dem mittlerweile fast zerfledderten Taschentuch abwischte, ehe sie antwortete: „Jemand hat mir dieses Schmuckstück gegeben, nachdem er es unten am See gefunden hat. Und so wie ich bisher erfahren habe, gehört es einer ehemaligen Rosenkönigin, doch keiner weiß, welcher. Denn ich habe mich erkundigt, und die beiden Initialen“, Emma zeigte auf die Rückseite des Medaillons und die dort eingravierten und nur noch schwach zu erkennenden Buchstaben, „können nur für eine gewisse Clara Leininger gestanden haben. Doch laut meines Vermieters ist sie seit gut einem Jahr verstorben und ihr Schmuckstück soll ihr bei der Beerdigung mit ins Grab gelegt worden sein. Jedenfalls frage ich mich, wie dieses Medaillon am See gefunden werden konnte, wenn es doch eigentlich in einem Grab liegen müsste. Doch niemand kann mir darauf eine Antwort geben. Also scheint alles nur ein blödes Missverständnis zu sein und es handelt sich um eine Fälschung, um ein Kinderschmuckstück oder sonst was.“
    â€žEs kann gar nicht in einem Grab liegen.“ René starrte immer noch entgeistert auf das Medaillon.
    â€žWie meinst du das jetzt?“
    â€žWeil es gar nicht Clara Leiningers Rosenanhänger ist.“ Emma schaute René an, als wäre er das siebte Weltwunder höchstpersönlich.
    â€žDas Medaillon gehörte nicht Clara? Wem denn dann?“
    René sah erst Emma an, richtete seinen Blick dann wieder auf das kleine Silberblättchen mit dem Rosendruck auf der Vorderseite, um anschließend wieder in Emmas grau-blaue Augen zu schauen.
    â€žEs ist Charlottes Medaillon.“

neunundvierzig
    Emma fror. Die Kälte, die um die Kirche kroch, machte auch nicht vor ihrer Jeans, den schwarzen Stiefeletten und ihrem dicken camelfarbenen Anorak Halt. Doch das Unangenehmste war die Feuchtigkeit, die die kalte Luft mit sich trug und die sich so gerne in die Baumwollschichten der Kleidung setzte. Und doch war es nicht allein das ungemütliche Novemberwetter, das sie so frösteln ließ.
    â€žDas Medaillon hat Charlotte gehört?“
    â€žJa.“ Das Medaillon lag in seiner rechten Innenhandfläche, in der es fast verloren ging. Mit dem Zeigefinger seiner linken Hand schob er es vor und zurück und betrachtete es liebevoll. „Aber die Initialen ‚C’ und ‚L’ können nicht für Charlotte stehen. Ihr Nachname ist Nägele.“
    â€žIch weiß.“ René zögerte. Er atmete tief durch, ehe er fortfuhr. „Charlotte war eben immer etwas eigen. Etwas Besonderes. Zumindest hielt sie sich dafür. Und alles musste nach ihrer Nase gehen. Sie bestimmte, diktierte, tyrannisierte.“
    â€žIch verstehe immer noch nicht, was du meinst.“
    â€žCharlotte hasste ihren Vater. Und mit dem Medaillon wollte sie ihm endlich zeigen, wie groß ihre Abneigung ihm gegenüber wirklich war. Sie wollte nichts mehr mit ihm zu tun haben. Sie hatte es satt, von ihm die ganze Zeit wie ein kleines Kind behandelt und gegängelt zu werden. Und so fasste sie den Entschluss, ihm eins auszuwischen. Und was passte da besser, als das Medaillon zu Ehren ihrer Krönung nicht mit der Initiale seines Nachnamens, sondern mit dem ersten Buchstaben meines Nachnamens für die Gravur zu nehmen?“
    â€žDaher kommt das ‚L’“, sagte Emma und sprach dabei mehr mit sich selbst als mit ihrem Gegenüber. Daher konnte auch Georg Villinger nichts von dem Medaillon wissen, weil sich Charlotte selbst darum gekümmert hat, dachte Emma und hatte zum ersten Mal eine Ahnung davon, was es bedeutete, den richtigen Heuhaufen für die sich sprichwörtlich darin befindliche Nadel gefunden zu haben.
    â€žIch war so blöd, so naiv, so blauäugig. Aber ich habe sie geliebt. Und was tut man nicht alles aus Liebe.“ René

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