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Und Nietzsche lachte

Und Nietzsche lachte

Titel: Und Nietzsche lachte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Quarch
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einem Anflug von Verächtlichkeit hinzu.
    Der solcherart Vorgestellte ließ sich freilich nicht aus der Ruhe bringen, ergriff Nietzsches Hand und sagte freundlich: »Schön, dass wir uns endlich kennenlernen, Herr Nietzsche, ich habe viel von Ihnen gehört.«
    Sichtlich geschmeichelt verbeugte sich Nietzsche ehrfurchtsvoll vor dem majestätischen Mann. »Oh Danke«, stieß er hervor, »das ehrt mich, weiß ich mich doch einer Ihrer Jünger zu sein.«
    Kant indessen blieb in seiner Schockstarre, die sich zu einem vollkommenen Zusammenbruch ausweitete, als der charmante Herr im Anzug die Philosophen auf die Vierte im Götterbunde aufmerksam machte. Kants Auge scheiterte bereits an deren großem Zeh, an dem ein diamantbesetzter goldener Reif blinkte, der dem Denker augenblicklich die Sinne nahm. Auch Nietzsche kam nicht weiter als bis zum Knöchel, denn als er den Namen »Aphrodite« vernahm und ihr Begleiter betont lässig etwas von »Göttin der Liebe, Schönheit etc.« raunte, da ahnte er wohl, dass sie gänzlich nackt vor ihm stand, so dass er es vorzog, den Marmorboden anzustarren.
    »Ich selbst heiße Hermes«, schloss der Anzugträger die Vorstellungsrunde, »Gott der Kaufleute, Diebe, Wegelagerer, zuständig auch für Handel, Börse, Internet, Verkehrswege und all das ganze Gedöns, neuerdings auch in der Logistikbranche tätig. Ich will mich kurzfassen. Denn meine Zeit ist knapp. Bin ziemlich im Stress. Schließlich dreht sich die ganze Welt da unten um mich. Und wie mir scheint, mein Freund«, während er dies sagte, richtete er drohend seine Zeigefinger auf Nietzsche, »bist du schuld daran.«
    »Ich?« Nietzsche schluckte. »Aber warum das? Etwa weil ich Sie für tot erklärt habe? Aber nicht doch, das war doch nicht so gemeint! Schauen Sie«, und er zog ein zerfleddertes Buch aus seiner Rocktasche, »hier habe ich es geschrieben. Hören Sie: ›Das, was an der Religiosität der alten Griechen staunen macht, ist die unbändige Fülle von Dankbarkeit, welche sie ausströmt: Es ist eine sehr vornehme Art Mensch, welche so vor der Natur und dem Leben steht!‹«
    »Ruhig Blut, junger Freund, nicht deshalb bin ich hier. Nein, nicht weil du uns für tot erklärt und unsere Verehrer verspottet hast, will ich mit dir reden, sondern weil ich mich für diesen ›Willen zur Macht‹ interessiere, den du erfunden hast. Was hast du dir eigentlich dabei gedacht, hm?«
    Nietzsche wusste nicht recht, was er davon halten sollte, aber da Hermes ihn erwartungsvoll anschaute und die anderen drei Himmlischen ihn ebenfalls taxierten, blieb ihm wohl nichts anderes übrig, als sich zu erklären. »Nun ja, äh«, er zupfte sich am Walrossbart, »einst warf ich meinen Wahn jenseits des Menschen, gleich allen Hinterweltlern. Aber ach, dieser Gott, den ich schuf, war Menschen-Werk und -Wahnsinn, gleich allen Göttern! Mensch war er, und nur ein armes Stück Mensch und Ich: aus der eigenen Asche und Glut kam es mir, dieses Gespenst, und wahrlich! Nicht kam es mir von jenseits!«
    »Hm«, sagte Hermes.
    »Da begriff ich, dass Gott eine Mutmaßung ist«, fuhr Nietzsche fort, »von Menschen erdacht, von Menschen erschaffen; eine arme unwissende Müdigkeit, die nicht einmal mehr wollen will: die schuf alle Götter und Hinterwelten. Der Leib, so wurde mir klar, war’s, der an der Erde verzweifelte – der hörte den Bauch des Seins zu sich reden. Aber der Bauch des Seins redet gar nicht zum Menschen, es sei denn als Mensch.«
    Hermes nickte.
    »Ich aber wollte der Erde treu bleiben. Wollte mich nicht in Hinterwelten fliehen. Wollte verstehen, was den Menschen bewegt hatte, sich Götter zu schaffen. Wollte erkennen, was diesen Wahn hervorgebracht hatte, der ihn Götter erfinden ließ. Und woher diese Müdigkeit rührte, die ihn zum Verächter der Erde und des Leibes werden ließ. Also ging ich dem Lebendigen nach. Ich ging die größten und die kleinsten Wege, dass ich seine Art erkenne. Mit hundertfachem Spiegel fing ich noch seinen Blick auf, wenn ihm der Mund verschlossen war: dass sein Auge mir rede. Und sein Auge redete mir. Hört mir nun mein Wort, ihr Weisesten«, und Nietzsches Blick wandte sich angstvoll zu Apollon, »prüft ernstlich, ob ich dem Leben selber ins Herz kroch und bis in die Wurzeln seines Herzens! Wo ich Lebendiges fand, da fand ich Willen zur Macht; und noch im Willen des Dienenden fand ich den Willen, Herr zu sein.«
    »Verstehe«, ließ Hermes sich vernehmen.
    Derart ermutigt, fuhr Nietzsche fort: »Nun ja, und so

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