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Und Nietzsche lachte

Und Nietzsche lachte

Titel: Und Nietzsche lachte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Quarch
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orientalischen Monotheismus und der mythischen Spiritualität der Griechen. Und er fährt fort: Das Göttliche ist »überall da. Alle Dinge und Erscheinungen reden von ihm in der großen Stunde, wo sie von sich selbst reden. Und sie reden nicht von einem Schöpfer und Herrn, sondern von dem ewigen Sein, das sich in ihnen gestalthaft offenbart. Es leuchtet aus allen lebendigen Augenblicken mit der unaussprechlichen Herrlichkeit, in der auch das traurigste Schicksal erhaben ist« – und darin sinnvoll, wie ich ergänzen möchte.
    Was mir zunächst wichtig erscheint, ist, dass Otto in diesem Zitat einen zentralen Aspekt der mythologischen Weltsicht zur Sprache bringt: Dem Menschen des Mythos offenbart sich das Ewige gestalthaft. Das große, unfassbar-umfassende göttliche Sein und Leben verdichtet sich in der »großen Stunde« zu der fassbaren Gestalt einer Gottheit. Das Unendlich-Grenzenlose gibt sich ein Gesicht, mit dem es in die Lebenswelt des Menschen hineinleuchtet – sie erleuchtet, so dass die Welt und alles Leben in das Licht einer unbedingten Bejahbarkeit gerückt wird. Selbst Nietzsche sah das so, wie eine frühe Notiz von ihm verrät: »Aus ihnen [den Göttern] spricht eine Religion des Lebens, nicht der Pflicht oder Askese oder der Geistigkeit. Alle diese Gestalten atmen den Triumph des Daseins, ein üppiges Lebensgefühl begleitet ihren Kultus. Sie fordern nicht: In ihnen ist das Vorhandene vergöttlicht, gleichviel ob es gut oder böse ist.«
    Götter – griechisch erfahren – sind so gesehen die großen Sinnstifter: Sie künden – auf ihre je eigene Weise – von der Sinnhaftigkeit und Bejahbarkeit der Welt und des sie durchdringenden kosmischen Lebens. Und sie tun das nicht aus einer Hinterwelt heraus, sondern sie wohnen mitten unter uns. Es ist jederzeit möglich, von ihrem Lichtglanz berührt zu werden. Ein bezauberndes Beispiel dafür gibt Walter F. Otto in seinem Buch Die Götter Griechenlands , wo er mit großer Präzision darstellt, wie es ist, wenn das eine göttliche Leben sich in Gestalt der Göttin Artemis offenbart: »Es wohnt im klaren Berggipfel, im Goldschimmer der Gebirgsmatten, im Blitzen und Flimmern der Eiskristalle und Schneeflächen, im schweigenden Erstaunen der Felder und Wälder, wenn das Mondlicht sie überglänzt und glitzernd von den Baumblättern tropft. Da ist alles durchsichtig und leicht. Die Erde selbst hat ihre Schwere verloren, und das Blut weiß nichts mehr von seinen dunklen Leidenschaften. Über den Boden hin schwebt es wie ein Tanzen weißer Füße. Oder ein Jagen fliegt durch die Lüfte. Das ist der göttliche Geist der sublimen Natur, die hohe schimmernde Herrin, die Reine, die zum Entzücken hinreißt und doch nicht lieben kann, die Tänzerin und Jägerin, die das Bärenjunge auf den Schoß nimmt und mit den Hirschen um die Wette läuft, todbringend, wenn sie den goldenen Bogen spannt, fremdartig und unnahbar, wie die wilde Natur, und doch, wie sie, ganz Zauber und frische Regung und blitzende Schönheit. Das ist Artemis! Wie mannigfaltig ihre Erscheinungsformen auch sein mögen, in dieser Idee haben sie ihre Einheit und widersprechen sich nicht mehr.«
    Artemis – das ist die gestalthafte Verdichtung einer bestimmten Facette des göttlichen Lebens. Wo sie erscheint, taucht sie die Welt in ihr ganz eigenes, Artemisisches Licht. Und dieses Licht ist anders als – sagen wir – das Apollinische Licht. So wie eben auch das Licht des Mondes anders ist als das Licht der Sonne. Beide aber erhellen die Welt auf ihre Weise. Beiden eignet eine ganz eigene Schwingungsfrequenz, die uns das eine kosmische Leben auf unterschiedliche Weise gewahren lässt. Aber in beiden oder durch beide hindurch strahlt der eine Lichtglanz des absoluten Sinns und der absoluten Bejahbarkeit, für dessen Erfahrung die Griechen das Wort theós – Gott – prägten. Man kann sich dieses umfassend Göttliche bildhaft als das eine, alles durchdringende weiße Licht vorstellen, das aber dem Auge erst erkennbar wird, wenn es von einem Prisma in die bunte Mannigfaltigkeit der Spektralfarben gebrochen wird. Das Prisma steht in diesem Bild für den Mythos, und sein Werk ist es, das unfassbare eine Göttliche in der Mannigfaltigkeit der gestalthaften Götter erkennbar zu machen. Jedem Gott eignet dabei das Leuchten des unbedingten Sinns: der unbedingten Bejahbarkeit der Welt – des Göttlichen. Umgekehrt könnte man sagen: Wo immer uns das Aufleuchten des unbedingten Sinns widerfährt – und

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