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Und Nietzsche lachte

Und Nietzsche lachte

Titel: Und Nietzsche lachte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Quarch
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aber es hat doch eine Spur hinterlassen, die bis in sein Buch und von dort bis zu uns reicht. Und so wird es auch Ihnen gehen, wenn sich Ihnen in einem Augenblick der Sinn Ihres Lebens zeigt. Dann wissen Sie bis in die Tiefen Ihres Körpers hinein, wie es sich anfühlt, wenn ES STIMMT. Sie kennen und fühlen den Grundakkord Ihres Lebens, diese Schwingung, die STIMMT – die Stimmung des großen »Ja!«, die zwar oft verfehlt wird, aber dennoch als Möglichkeit immer da ist. Weshalb es auch möglich und überaus wünschenswert ist, dass dieser Grundakkord zu unterschiedlichen Zeiten, an unterschiedlichen Orten, unter unterschiedlichen Voraussetzungen erneut in Ihnen zum Klingen kommt. Dann wird er womöglich anders klingen – und sich dabei doch ebenso als dieses ES STIMMT der inneren und äußeren Harmonie beschreiben lassen.

    Psyche – Alles, was lebt, will Harmonie
    Damit haben wir nun die wichtigsten Puzzlestücke zu Platons Theorie des Sinns zusammengetragen. Jetzt müssten wir so einigermaßen klar haben, inwiefern er behaupten konnte, Ideen (= Sinn) seien dasjenige, was die Verstehbarkeit des Verstehbaren garantiert: weil sie nämlich das zeitlose ES STIMMT eines jeden Phänomens sind. Aber in der zitierten Passage aus dem Staat sagt Platon ja nicht nur, das GUTE sei Ursache für das Verstanden-Werden des Verstehbaren. Er sagt auch, es sei Ursache für das Sein des Seienden. Und das ist nun nicht mehr eine These zur Erkenntnistheorie, sondern zur Ontologie – zu derjenigen philosophischen Disziplin, die sich zu erklären anschickt, was wir eigentlich meinen, wenn wir sagen: »Etwas ist«; oder warum überhaupt etwas ist und nicht vielmehr nichts.
    Die These, die Platon uns offenbar schmackhaft machen will, lautet: Seiendes ist überhaupt nur deshalb, weil Sinn ist. Anders gesagt: Gäbe es keinen Sinn, so gäbe es gar nichts. Nochmal anders gesagt: Nur weil Es gut ist, gibt Es etwas. Wobei das kursiv gesetzte Es ein großes Rätsel ist. Oder auch nicht, denn für die klassische Theologie ist dieses Es schlicht eine Chiffre für den einen Schöpfergott, der die Welt machen wollte, und dessen Wille zur Welt sowohl deren Sein als auch deren Sinn verbürgt. Aber in der griechischen Seinsauslegung haben wir keinen Schöpfergott. Und da stellt sich nun die Frage: Wer ist Es , der hier gut ist und dessen Güte das Sein der Phänomene verbürgt? Die Antwort der griechischen Philosophen lautet einhellig: phýsis – was meistens mit Natur übersetzt wird, in Wahrheit aber viel mehr bedeutet.
    Die Lichtende. Das Wunder der phýsis
    Phýsis ist, wie der Gräzist Wolfgang Schadewaldt formuliert, »ein ganz umfassendes Walten und Wesen im Sinne eines Hervortreibens und Wachsenlassens«. Oder mit Heidegger (bitte anschnallen!): Sie ist die »wunderbar Allgegenwärtige«, die »zuvor schon allem Wirklichen die Lichtung verschenkt, in deren Offenes hinein erst alles zu erscheinen vermag, was ein Wirkliches ist«. Alles klar?
    Ich übersetze: Phýsis ist ein Geschehen. Ursprünglich bezeichnet das Wort das ins Licht kommende Sich-Entfalten einer Pflanze: das Zum-Vorschein-Kommen aus dem Dunkel des Erdreichs in die Helle des Erscheinens. Phýsis ist so gesehen das Wesen – verbal verstanden – des Erscheinenden. Gleichzeitig kann das Wort gebraucht werden, um das Ganze zu benennen: die Totalität des Erscheinens von allem, was in Erscheinung tritt – aller Phänomene. Und nun behauptet Platon: Dieses Wesen des Erscheinenden, diese Totalität des Erscheinens hat ihren Grund im GUTEN. Wie soll man das verstehen?
    Am besten, indem man sich klarmacht, wie Platon und die alten Griechen phýsis näher bestimmten. Denn eines war für sie klar: Phýsis ist Leben. Und wie das Leben folgt auch die phýsis einigen fundamentalen Gesetzmäßigkeiten, die man herausfinden kann, wenn man den Kosmos, die Natur oder auch die eigene Seele durchleuchtet. Denn überall fanden die Griechen das gleiche Grundprinzip der einen umfassenden kosmischen Lebendigkeit, die sie psyché – Seele – nannten.
    Und nun habe ich eine Bitte an Sie: Halten Sie sich bitte von allen gängigen Assoziationen frei, die wir modernen Menschen mit dem Begriff »Seele« verbinden. Denn die ursprüngliche Bedeutung von psyché hat zunächst weder etwas mit dem zu tun, was die moderne Psychologie als ihren Gegenstand betrachtet, noch etwas mit dem, dessen Heil uns die Religionen versprechen. Griechisch verstanden ist psyché dasjenige, kraft dessen ein Lebewesen

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