...und noch ein Küsschen!
sehr groß war, viel größer als ich – obgleich man sie heute, in ihrem einundfünfzigsten Jahr, eher massig als groß nennen müsste.
«Du weißt sehr gut, warum ich sie eingeladen habe», sagte sie in scharfem Ton. «Nur weil sie Bridge spielen, ein erstklassiges Bridge und um einen anständigen Einsatz.» Sie hob den Kopf und sah, dass ich sie beobachtete. «Mehr ist wirklich nicht an ihnen dran», schloss sie, «und du denkst doch genauso, nicht wahr?»
«Hm, natürlich, ich …»
«Sei nicht albern, Arthur.»
«Ich habe sie ja erst einmal gesehen, aber ich finde, sie machten einen sehr netten Eindruck.»
«Den macht unser Fleischer auch.»
«Bitte, Pamela, Liebes, du darfst nicht ungerecht sein.»
«Hör mal zu», das Modeheft fiel klatschend auf ihren Schoß, «du weißt ebenso gut wie ich, was für Leute das sind. Dumme Streber, die sich einbilden, sie könnten überall verkehren, nur weil sie gut Bridge spielen.»
«So wird’s wohl sein, Liebes. Ich verstehe nur nicht, warum du sie dann …»
«Das sage ich dir ja die ganze Zeit – damit wir endlich einmal ein anständiges Bridge spielen können. Ich habe es satt, mich mit Stümpern herumzuärgern. Aber es ist doch wirklich eine Zumutung, diese grässlichen Leute übers Wochenende im Haus zu haben.»
«Natürlich, Liebes, natürlich. Nur … ist es jetzt nicht ein bisschen spät …»
«Arthur!»
«Ja?»
«Warum musst du mir eigentlich dauernd widersprechen? Du
weißt,
dass sie dir genauso unsympathisch waren wie mir.»
«Ich bin sicher, Pamela, dass du dir keine Gedanken zu machen brauchst. Alles in allem schienen sie doch ein nettes junges Paar mit guten Manieren zu sein.»
«Arthur, übertreibe nicht so maßlos.» Sie sah mich streng an, und um ihrem Blick auszuweichen – diese runden grauen Augen verwirrten mich, wie schon so oft –, ging ich zu der Fenstertür, die in den Garten hinausführte.
Die große, leicht abfallende Rasenfläche vor dem Haus war frisch gemäht, sodass hellgrüne Streifen mitdunkleren wechselten. Drüben, auf der anderen Seite, standen die beiden Goldregensträucher endlich in voller Blüte und hoben sich leuchtend von den Bäumen im Hintergrund ab. Die Rosen und die scharlachroten Begonien waren ebenfalls erblüht, auch meine schönen Lupinen, Federnelken, Akeleien, Rittersporne und die blassen, duftenden Schwertlilien. Einer der Gärtner kam gerade vom Mittagessen zurück. Ich sah das Dach seines Häuschens durch die Bäume und seitlich dahinter das eiserne Gittertor an der Straße nach Canterbury.
Das Haus meiner Frau. Ihr Garten. Wie schön war das alles! Wie friedlich! Ach, wenn Pamela nur etwas weniger um mein Wohlergehen besorgt wäre, etwas weniger dazu neigte, mir – «einzig und allein zu deinem Besten, Arthur» – höchst lästige Entschlüsse aufzuzwingen, dann hätte ich hier den Himmel auf Erden. Mit diesen Worten möchte ich jedoch keinesfalls den Eindruck erwecken, dass ich sie nicht liebe – ich bete die Luft an, die sie atmet – oder dass ich nicht mit ihr fertig werde oder dass ich nicht Herr im Hause bin. Nein, es ist nur so, dass sie mir manchmal ein bisschen auf die Nerven geht. Ihr Benehmen zum Beispiel, ihre etwas manierierte Art – ich wünschte wirklich, sie würde sich gewisse Dinge abgewöhnen. Vor allem missfällt mir, dass sie mit dem Finger auf mich deutet, sooft sie einen Satz betonen will. Wie ich bereits sagte, bin ich ziemlich klein von Statur, und wenn sich jemand, besonders ein Mensch wie meine Frau, unablässig dieser Geste bedient, dann schüchtert mich das natürlich ein. Manchmal bin ich nahe daran, zu bezweifeln, dass
ich
in unserer Ehe das Regiment führe.
«Arthur!», rief sie. «Komm her.»
«Was ist denn?»
«Ich habe eine wunderbare Idee. Komm her.»
Ich drehte mich gehorsam um und ging zu dem Sofa, auf dem sie lag. «Pass mal auf», sagte sie. «Wie wär’s, wenn wir uns einen kleinen Spaß machten?»
«Was für einen Spaß?»
«Mit den Snapes.»
«Wer sind die Snapes?», fragte ich.
«Herrje, wach doch auf. Henry und Sally Snape. Unsere Wochenendgäste.»
«Ja und?»
«Hör zu. Ich habe hier gelegen und daran gedacht, wie grässlich sie sind … er mit seinen Witzen und sie wie eine Turteltaube …» Sie lächelte listig, und aus irgendeinem Grunde hatte ich den Eindruck, sie werde etwas Schockierendes sagen. «Nun – wenn sie sich in unserer Gegenwart so benehmen, wie müssen sie dann erst sein, wenn sie miteinander
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