...und noch ein Küsschen!
drüben.»
Plötzlich ertönten Schritte hinter ihm, langsame, weit ausgreifende Schritte dicht hinter ihm, und er blieb stehen. Die Schritte verstummten. Er drehte sich um und spähte angestrengt in die Dunkelheit.
«Guten Abend», sagte er. «Sind Sie wieder da?»
In der Stille, die folgte, konnte er hören, wie der Wind durch die Blätter der Hecke strich.
«Haben wir denselben Weg?», fragte er.
Als keine Antwort kam, ging er weiter. Der Hund zerrte an der Leine, und hinter ihm ertönten von neuem die Schritte, aber leiser jetzt, als schleiche der andere auf den Zehen.
Er machte halt und wandte sich um.
«Ich kann Sie nicht sehen, weil es so dunkel ist. Kenne ich Sie?»
Wieder die Stille, der kühle Sommerwind an seinen Wangen und der Hund, der ungeduldig an der Leine zog.
«Na gut», rief er. «Sie brauchen nicht zu antworten, wenn Sie nicht wollen. Aber denken Sie daran, ich weiß, dass Sie da sind.»
Einer, der ihn zu übertölpeln suchte.
Von weit her, vom Westen drüben und aus großer Höhe klang das schwache Summen des Flugzeugs durch die Nacht. Er blieb stehen, hob den Kopf und lauschte.
«Hat nichts zu sagen», murmelte er. «Wird nicht näher kommen.»
Aber warum erstarrte alles in ihm, wenn einmal ein Flugzeug über das Haus flog, warum war es ihm dann unmöglich, weiterzusprechen oder sich auch nur zu bewegen, warum saß oder stand er wie gelähmt da und wartete auf das kreischende Pfeifen der Bomben? Heute Abend nach dem Essen, zum Beispiel.
«Weshalb hast du dich so zusammengeduckt?», hatte sie gefragt.
«Zusammengeduckt?»
«Ja, zusammengeduckt. Weshalb tust du das?»
«Zusammengeduckt?», hatte er wiederholt. «Ich weiß nicht, was du meinst.»
«Scheint mir auch so», hatte sie geantwortet und ihnmit ihren harten blauweißen Augen angesehen, die Lider leicht gesenkt, wie immer, wenn sie ihn verachtete. Die gesenkten Lider, die halbgeschlossenen Augen hatten etwas Schönes für ihn – die Art, wie die Lider sich senkten und die Augen sich verschleierten, sooft ihre Verachtung besonders stark wurde.
Gestern früh, als das Granatfeuer einsetzte – weit entfernt, unten im Tal –, hatte er im Bett die linke Hand ausgestreckt und ihren Körper berührt, weil es ihn so sehr nach Schutz und Trost verlangte.
«He, was machst du da?»
«Nichts, Liebes.»
«Du hast mich aufgeweckt.»
«Entschuldige.»
Es wäre leichter, so viel leichter für ihn, wenn er morgens beim Einsetzen des Granatfeuers dicht an sie heranrücken dürfte.
Jetzt war er schon in der Nähe seines Hauses. Hinter der Wegbiegung konnte er einen rötlichen Lichtschein sehen, der durch die Gardinen des Wohnzimmers drang. Er schritt schneller aus, erreichte die Pforte, trat ein und lief, von dem Hund vorwärtsgezogen, den Gartenweg entlang.
Auf der Veranda tastete er in der Dunkelheit nach dem Türgriff.
Vorhin, als er fortging, war der Griff auf der rechten Seite gewesen. Ja, rechts. Er erinnerte sich genau – schließlich hatte er das Haus erst vor einer halben Stunde verlassen.
War es denn möglich, dass sie auch das vertauscht hatte? Nur um ihn zu ärgern. Dass sie den Werkzeugkasten geholt und den Griff rasch auf die andere Seite geschraubt hatte, während er mit dem Hund spazieren ging?
Er tastete nach links – und in dem Augenblick, da seine Finger gegen den Griff stießen, explodierte etwas mit einem kleinen, aber heftigen Schlag in seinem Gehirn, und zugleich stieg eine Welle von Wut, Entrüstung und Furcht in ihm auf. Er öffnete die Tür, schloss sie hinter sich und rief: «Edna, bist du da?»
Keine Antwort. Er rief noch einmal, und diesmal hörte sie ihn.
«Was ist denn? Du hast mich aufgeweckt.»
«Komm einen Augenblick runter, ja? Ich möchte mit dir sprechen.»
«Das könnte dir so passen», antwortete sie. «Sei still und komm rauf.»
«Komm runter!», schrie er. «Komm sofort runter!»
Der Mann zögerte, legte den Kopf in den Nacken und spähte hinauf in die Finsternis des oberen Stockwerks. Er konnte die Stelle sehen, wo das Treppengeländer nach links abbog und im Schwarz des Treppenabsatzes verschwand, und wenn man dort weiterging, kam man ins Schlafzimmer, das ebenfalls dunkel sein würde.
«Edna!», rief er. «Edna!»
«Ach, geh zum Teufel.»
Langsam, mit leisen Schritten stieg er die Treppe hinauf; er ließ sich dabei vom Geländer führen, und als seine Hand die Rundung nach links erreichte, nahm er noch eine Stufe, die gar nicht da war. Nun, damit hatte er gerechnet, es
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