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Und oben sitzt ein Rabe

Und oben sitzt ein Rabe

Titel: Und oben sitzt ein Rabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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wie Baltasar, also knapp unter einsneunzig, halb so feist, mit blondem Schopf, der sich zu lichten begann, und einem Gesicht, das kantig wirkte, bis auf das eher rückwärts orientierte Kinn. Curtius, ein wenig kleiner und schlank, dunkelhaarig, machte auf den zweiten Blick den besseren Eindruck; er überließ offenbar das Reden seinem Kollegen und zog zurückhaltendes Denken vor.
    »Na«, sagte Baltasar, nachdem er sich gesetzt hatte, »kommen wir doch am besten gleich zur Sache.«
    »Möchten Sie einen Kaffee?« sagte Curtius. »Nicht, daß ich ablenken will, aber es ist ja noch sehr früh.«
    »Sie haben also Zweifel an der derzeitigen Meinung der Bonner Kriminalpolizei«, sagte von Schlamm.
    Baltasar nickte und blickte von einem zum anderen. »Ich weiß nicht, wie Sie zu der Sache stehen ...«
    Curtius lachte kurz und hart. »Na, wie wohl. Wir sind natürlich begeistert. Allerdings frage ich mich, was Sie mit der Affäre zu tun haben und was Sie von uns erwarten.«
    Baltasar faltete die Hände über dem Bauch und betrachtete die beiden friedlich, aber ohne jede Zuneigung.
    »Das will ich Ihnen sagen, und zwar zunächst in Kürze. Ich glaube nicht, daß Schüsse, die auf einen Anwalt und seine Geliebte abgefeuert werden, und zwar zu einer Zeit, wo beide sich im Bett des Anwalts befinden, unbedingt der Geliebten gelten müssen. Für die Kripo ist Herr Goldberg, der mit seiner Noch-Frau verabredet war und kurz nach dem Mord vor dem Haus auftauchte, natürlich ein Himmelsgeschenk. Mir erscheint diese Erklärung allzu plausibel und einfach. Ich könnte mir eher denken, daß jemand etwas gegen Ihren Kollegen Naumann hatte, und daß die Dame nur eine Art Zugabe war.«
    Von Schlamm rümpfte die Nase. Die Sekretärin brachte den Kaffee und zog sich wieder zurück. Als die Tür sich geschlossen hatte, sagte von Schlamm: »Sie drücken das ein bißchen salopp aus. Vielleicht haben Sie recht, aber so, wie es jetzt aussieht, hat die Polizei für ihre Annahme etliche gute Gründe. Sie dagegen gehen von einer reinen Möglichkeit aus, für die nichts als eben die Möglichkeit spricht.«
    Baltasar nickte. »Bis jetzt, ja. Nun habe ich aber erfahren, daß Ihr verblichener Kollege in den letzten Wochen mehrfach, und zwar jeweils relativ spät am Abend, berufliche Verabredungen hatte. Die Verkäuferin in der Boutique, die Frau Goldberg gehörte, sagte, ihre Chefin hätte am Mittwoch abend, kurz vor Geschäftsschluß, mit Naumann telefoniert; danach hätte sie, ein bißchen mürrisch, gesagt, das sei nun wieder eine von diesen dusseligen, späten Verabredungen. Er meinte, es wäre wichtig und geheim, aber wenn es was würde, könnte es ein Knüller werden.«
    Curtius und von Schlamm wechselten Blicke. Dann sagte von Schlamm: »Merkwürdig. Sehen Sie, wir hocken im Moment in einem Raum, weil wir etwas zu besprechen hatten und weil wir auf Sie gewartet haben. Normalerweise arbeitet jeder von uns in seinem eigenen Zimmer. Die meisten Dinge laufen getrennt ab. Außer wenn es Probleme gibt oder etwas passiert, was alle interessiert. Wir wissen also in der Regel nicht, was die anderen gerade bearbeiten, wenn es nicht bei Beratungen zur Sprache kommt. Ich muß gestehen, was Sie da erzählen, ist mir völlig neu.«
    Curtius nickte. »Ich habe auch keine Ahnung, was das bedeutet. Sind Sie sicher, daß man sich auf diese Verkäuferin verlassen kann?«
    Baltasar grinste. »Zumindest was Klatsch angeht. Goldbergs Anwalt bestätigt das. Sie muß ungeheuer neugierig sein und alles, was sich einigermaßen interessant anhört, wie ein Schwamm aufsaugen.«
    »Tja«, sagte von Schlamm, »vielleicht kann man das klären.« Er klingelte die Sekretärin herbei. »Sagen Sie, wer hat in der letzten Zeit Naumanns Termine notiert, Telefonate und so weiter?«
    Die junge Dame überlegte. »Einige habe ich angenommen und aufgeschrieben, die meisten hat, glaube ich, Kirsten mitbekommen.« Sie lächelte leicht verlegen. »Ich war ja ein paar Tage krank ...«
    Curtius blickte von Schlamm an. »Tja, vielleicht sollten wir uns das wenigstens ansehen. – Bitten Sie doch Kirsten, mit allen wichtigen Terminkalendern, Telefonblocks und so weiter reinzukommen.«
    Die andere Sekretärin erschien relativ schnell. Sie war noch ein bißchen jünger und noch ein bißchen stärker geschminkt als die erste. Sie schien den Sonntag in fröhlicher Feier verbracht zu haben; unter der Schminke sah sie schlecht aus und hatte tiefe Ringe unter den Augen, kaum verdeckt von einem

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