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Und oben sitzt ein Rabe

Und oben sitzt ein Rabe

Titel: Und oben sitzt ein Rabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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eingebrockt und will nun nichts davon wissen. Der gute Edgar hat wahrscheinlich wieder viel zu nette Patientinnen, die er auch in der Freizeit umhegen muß. Und der freischaffende Autor ist auf Tauchstation gegangen, damit du ihn nicht findest. Wie willst du, ohne Hilfe deiner lieben Freunde, diesen Fall klären? Gib doch auf. Am Ende mußt du richtig arbeiten dabei. Beim letzten Mal hattest du ja deine Laufburschen.«
    Baltasar schuf eine urweltliche Qualmwolke, die immer mehr einem Drachen ähnelte, je näher sie der Decke kam. Bevor die optische Bedrohung konkret hätte werden können, verging das Spektakel.
    »Bah«, sagte er, »und abermals bah. Morgen, nach dem Frühstück, also heute demnächst, werde ich euch verlassen. Dann werdet ihr mich ein Weilchen nicht sehen, und ich werde in einsamer Schlacht wider das Böse fechten.« Nachdenklich setzte er hinzu: »Obwohl es mich beruhigt, daß auf meine Freunde kein Verlaß ist. Mein Glaube an das Schlechte im Menschen wäre sonst arg erschüttert worden. – Aber es gibt ja noch mehr freiwillige Zwangsrekruten.«
    Nach dem Frühstück verabschiedete sich Baltasar und fuhr in die Nordstadt, zu seiner chaotischen Behausung. Er fahndete nach einem Notizbuch, in dem mehrere Telefonnummern standen, die er sich nicht merken konnte. Zunächst räumte er die Schreibmaschine beiseite, indem er sie auf den Boden stellte. Dann verschob er einen Stapel beschriebener Blätter, die beiden nächsten Folgen seiner
Frau Griseldis
. Dabei stieß er eine Bücherpyramide um, die sich krachend in Einzelteilen auf eine Batterie leerer Weinflaschen stürzte, deren eine zerbrach. Als er sich bückte, um die größeren Splitter aufzuklauben, brachte er mit dem Gesäß eine Stehlampe aus dem Gleichgewicht, die in ihrem Untergang seinen Eßtisch vom schmutzigen Geschirr der vergangenen Woche befreite. Von dem Lärm verschreckt, schnitt er sich den Finger an einer Glasscherbe. Nörgelnd richtete er sich auf, betrachtete das Panorama und warf einen hilfeheischenden Blick auf Boschs
Garten der Lüste
an der Wand über dem Sofa. Danach räumte er auf. Nach etwa einer Stunde, als er wieder treten konnte, ohne sich die Beine zu brechen, wischte er sich Schweiß und Staub von der Denkerstirn und schmiß die Kaffeemaschine an. Erneut suchte er sein Notizbuch. Er fand es schließlich unter einem Stapel von Schallplatten, meterweit entfernt vom Schreibtisch.
    Als ersten versuchte er, Römertopf zu erreichen. Der häßliche Gynäkologe mit den angewachsenen Ohrläppchen war entweder nicht zu Hause, oder er hatte tatsächlich beschlossen, kein Telefonat anzunehmen. Seufzend probierte Baltasar es mit Moritz. Auch hier meldete sich niemand. Als dritten rief er einen gewissen Haefs an, der sich aber hütete, ans Telefon zu gehen. Dann fiel ihm der arbeitslose Philosoph und Volleyballfreak Henry Hoff ein. Auch dort nichts.
    So umfing ihn jähe Ratlosigkeit ob der fruchtlosen Bemühungen, und in dieser zerbrechlichen Stimmung empfand er es als eine Erlösung, daß er vom Aufräumen schmutzig und verschwitzt war.
    »Wenn man nicht weiß, was man tun soll, soll man nichts tun«, murmelte er. »Napoleon. Wenn man nicht weiß, was man unterlassen soll, sollte man sich waschen. Matzbach. Häh.« Pfeifend begab er sich ins Bad, riß sich die Kleider vom Leib und hüpfte wie eine Gazelle unter die Dusche.

6. Kapitel
    Ganz wider seine Gewohnheiten erhob Baltasar sich am frühen Montagmorgen zu einer unchristlichen Zeit, gegen acht Uhr. Im Verlauf eines notdürftigen Frühstücks – er frühstückte etwa so, wie eilige Menschen Bücher lesen: diagonal – sortierte er noch einmal die Einzelheiten, die ihm bisher bekannt waren. Mehrere abendliche Telefonate hatten ihm zwar keine weiteren Kenntnisse eingetragen, dafür aber, immerhin, einen relativ frühen Termin mit den beiden überlebenden Anwälten.
    Kurz vor neun drückte er den Klingelknopf. Eine junge Dame, die kurz vorher in den Schminktopf gefallen sein mußte, öffnete ihm die Tür und bat ihn in die Praxis. Die beiden juristischen Gentlemen harrten seiner bereits, Kaffee trinkend und die anstehenden Ordnungen des Tages beredend.
    »Ach, Sie sind das«, sagte der größere der beiden, als Matzbach sich mit seinem Nachnamen vorstellte. »Sie hatten ja am Telefon schon gesagt, daß wir uns aus den Kneipen hier in der Ecke kennen, aber ich konnte mit dem Namen kein Gesicht verbinden. Von Schlamm. Das ist mein Partner Curtius.«
    Von Schlamm war etwa so groß

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