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Und oben sitzt ein Rabe

Und oben sitzt ein Rabe

Titel: Und oben sitzt ein Rabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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Stichworten die Themen, die Naumann offenbar in letzter Zeit behandelt hatte.
    »Saatgut, Beleidigung, Ehrabschneidung, Schadenersatz, Fahrverbot, Informationsrecht der Öffentlichkeit, Verfahrensfehler oder wie immer das heißen mag, Untersuchungshaft ...« Er brabbelte noch einiges vor sich hin; dann stand er wieder auf. »Ja, so, hm, aber ob das was bringt?«
    Von Schlamm wandte sich ab, Curtius grinste. »Tja, mehr scheint nicht dazusein.«
    Baltasar überlegte kurz. »Hatte Naumann vielleicht ein eigenes Verzeichnis wichtiger Telefonnummern, einen Notizblock, auf den er während des Telefonierens Männchen malte oder so was?«
    Fräulein Roth nickte, ging aus dem Raum und kam sofort wieder zurück. Sie hielt Baltasar eine kleine Telefonkladde hin. »Hier, das waren einige Nummern, die er nach und nach eingetragen hat. Er hat es dann aber mir gegeben. Ich habe vorhin schon kurz nachgesehen; von den fünf Namen steht keiner drin.«
    Sie machte eine Pause und schlug die Augen nieder. »Seinen Kritzelblock habe ich aber weggeworfen.«
    Baltasar zog eine weinerliche Grimasse und durchblätterte die Kladde. Sie enthielt zahlreiche Namen und Eintragungen, darunter auch »Irene priv.« und »Irene Laden« und mehrere weitere weibliche Vornamen samt Telefonnummern.
    Seufzend reichte er der Sekretärin die Kladde zurück. »Ich glaube nicht, daß es etwas bringt, wenn ich alle Nummern anrufe. Schade, daß Sie den Kritzelblock weggeworfen haben.«
    Er sah sich noch einmal im Raum um, beobachtet von Curtius und Fräulein Roth. Von Schlamm hatte sich zurückgezogen.
    Plötzlich hellte sich das Gesicht der jungen Dame auf. »Moment«, sagte sie, »da war noch was.« Sie ging zu einem ziemlich hohen Aktenschrank, stellte sich auf die Zehenspitzen und tastete mit der rechten Hand auf dem Schrank herum.
    »Hier, das lag auf dem Schreibtisch.« Sie reichte Baltasar einen DIN-A3-Block der Art, wie Druckereien oder Verlage ihn als Werbegeschenk herstellen: oben ein kleingedruckter Jahreskalender, unten Eigenwerbung, dazwischen sehr viel Platz für Notizen.
    Curtius warf ihr einen scheelen Blick zu. »Finden Sie, daß der Schrank der richtige Platz dafür ist?«
    »Ich wollte das Ding zuerst wegwerfen, dann habe ich es da oben hingeworfen, weil es mir beim Aufräumen im Weg war, und schließlich hab ich es einfach vergessen.«
    Baltasar strahlte. »Ein Lob Ihrer Vergeßlichkeit, denn hier stehen ein paar Nummern. Haben Sie noch mal die Kladde, bitte?«
    Er setzte sich wieder hin und suchte. Es dauerte nicht sehr lang; auf der Schreibunterlage fanden sich lediglich neun Nummern. Zwei davon waren die beiden »Irene«-Nummern; die übrigen sieben standen nicht in der Kladde. Eine der Nummern hatte eine Kölner Vorwahl. Baltasar notierte sich die Ziffern, dann reichte er die Schreibunterlage zurück.
    »Heben Sie sie gut auf.« Er wandte sich an Curtius. »Spätestens übermorgen hole ich den lieben Goldberg aus dem Kerker, und dann wird sich mein Freund Ziegler, der eminente Hauptkommissar, vermutlich persönlich herbemühen.«
    Curtius musterte ihn mit zusammengezogenen Brauen. »Sie sind reichlich arrogant.«
    Baltasar lächelte. »Ich kann es mir leisten.«
    »Wieso sind Sie so sicher, daß Sie Goldberg rausholen werden?«
    Baltasar stützte sich mit einer Hand auf den Schreibtisch; mit der anderen machte er eine großartige Geste. »Weil ich das beschlossen habe. – Eine Frage hätte ich noch an Sie, Mademoiselle.«
    Fräulein Roth zuckte zusammen. »Meinen Sie mich?«
    »Just. Ist es oft vorgekommen, daß Naumann selbst telefoniert hat, oder haben Sie ihn immer verbunden?«
    Sie nickte, dann schüttelte sie den Kopf. »Beides. Ich meine, meistens habe ich ihn verbunden, aber manchmal hat er auch selbst gewählt.«
    »Die Kölner Nummer hier und die anderen, die auf dem Block stehen, sind Ihnen unbekannt?«
    »Ja. Ich kann mich jedenfalls nicht erinnern, daß ich sie jemals gewählt hätte.«
    Nach einer kurzen Verabschiedung begab Matzbach sich zu seinem Wagen und donnerte quer durch die Nordstadt zur Bornheimer Straße. Gegenüber vom Großmarkt, auf dem die Landwirte der Umgebung ihre Erzeugnisse abliefern, läutete er Sturm.
    Der arbeitslose Philosoph und Volleyballfreak Henry Hoff öffnete sofort. Persönlich. Er wohnte im vierten Stock, deshalb überraschte seine Anwesenheit im Parterre Matzbach zutiefst.
    »Was machst du denn schon so früh hier unten, du Stinktopf?«
    Hoff blinzelte. Er war noch reichlich verschlafen. In

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