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Und oben sitzt ein Rabe

Und oben sitzt ein Rabe

Titel: Und oben sitzt ein Rabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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Welchen von den beiden Wegen wollen wir denn nehmen?«
    Er sah sich mit einem Kopfschütteln um. »Asphalt mag ja stinken, aber es trägt besser als das da.« Er deutete auf die graugrüne Fläche, die unregelmäßig mit Gesträuch und undefinierbaren Halmen bewachsen war.
    Baltasar lachte. »Alles halb so wild. Das meiste trägt so gut wie Asphalt. Die haben die Wege hauptsächlich deshalb angelegt, um die Menschenmassen, die sich hier in der Saison durchwälzen, von der zerstörerischen Zertrampelung kostbarer Moose abzuhalten. – Dieses Jahr sind erst elf Leute im Moor abhanden gekommen.«
    Hoff verschränkte die Hände hinter dem Rücken und wippte auf den Fußspitzen. »Das freut mich, dann brauche ich mich ja vor nichts zu fürchten. Elf, sagst du? Woher weißt du das?«
    Baltasar deutete mit dem Daumen nach hinten. »In dem Dorf, wo ich eben war und wo ich die Karte in einem kleinen Laden gekauft habe, haben sie das erzählt.«
    »Aha. Und wie sind diese elf Leute abhanden gekommen? Verirrt, erschossen, ertrunken, verdurstet?«
    Baltasar grinste. »Leichtsinnig gewesen, nehme ich an. Manche findet man im Verlauf des Jahres, andere erst nach Jahrzehnten, andere nie. Tröste dich, keiner wird dich vermissen.« Er starrte wieder auf die Karte und auf die beiden Wege. »Na ja, es gibt nur die beiden Möglichkeiten. Ich glaube, dieser hier, der nach Südwesten geht, sollte eher in Frage kommen als der andere Weg. Der andere führt in einem Bogen nach Südosten zu einem Ort. Ich glaube nicht, daß jemand aus Bonn hierherkommt, nur um eine halbe Stunde durch ein Moor zu laufen und dann in einem Ort herauszukommen, den er mit fünf Minuten längerer Taxifahrt auch erreicht hätte.«
    Er faltete die Karte zusammen. »Vamos!«
    Murrend folgte Hoff. Nach weiteren zwanzig Minuten erreichten sie eine kleine Verbreiterung des Wegs; auch wuchsen hier einige Bäume, und man hatte zwei grob zugehauene Bänke aufgestellt.
    Hoff ließ sich auf eine der Bänke sinken und zündete sich eine Zigarette an. »Ah«, sagte er, »fester Boden. Kontinente haben ihre Vorzüge. Wohin willst du eigentlich noch?«
    Matzbach setzte sich neben ihm auf die Bank und befragte erneut seine Karte. Dann blickte er auf die Uhr. »Also, Fricke hat ungefähr eine Dreiviertelstunde Vorsprung. In dem Gelände hier könnten wir fünf Minuten hinter ihm sein und würden ihn nicht sehen. All diese Biegungen und das Gestrüpp. Ich wüßte nur gern, ob er tatsächlich hier entlang gegangen ist.«
    Er schob Hoff die Karte hin, stand auf und ging zu einem Abfallbehälter neben der anderen Bank. Dort ließ er sich auf die Knie nieder und fischte etwas heraus. Mit spitzen Fingern hielt er es hoch: ein zusammengeknülltes Stück Papier. Er zog es auseinander und strich es auf der Bank glatt. »Siehst du«, sagte er, »wer den Schmutz nicht scheut, hat am Finden mehr Freud. Alter Spruch aus dem Volksmund der Rhön.«
    Hoff blinzelte. »Schöner Spruch. Was soll ich sehen?«
    Matzbach kam zu ihm und reichte ihm das Papier. Es handelte sich um eine Tüte, wie Bäcker sie zur Verpackung von Brötchen benutzen. Der Aufdruck verriet, daß der betreffende Bäcker in Bonn sein Unternehmen betrieb, und zwar ganz in der Nähe von Frickes Wohnung.
    »Ja, ja«, murmelte Baltasar, »Picknick am Wegesrand.« Er riß die Tüte auseinander und betrachtete die Innenseite. Deutlich waren Spuren von Butter zu erkennen.
    »Na schön«, sagte Hoff, »aber was haben wir davon?«
    Baltasar warf das Objekt, nachdem er es zusammengeknüllt hatte, in den Abfallbehälter zurück.
    »Wir wissen jetzt zweierlei«, sagte er. »Erstens, daß ein Mensch, der irgendwann in jüngerer Zeit in Bonn Brötchen gekauft hat, hier vorbeigekommen ist. Zweitens, daß es noch nicht allzulange her sein kann, denn die Butter ist noch nicht ranzig.«
    Hoff seufzte. »Wie viele Menschen kaufen in Bonn Brötchen, und wie viele von ihnen könnten diesen wunderschönen Pfad gegangen sein? Außerdem liegt mir nichts davon vor, daß Fricke heute früh beim Bäcker gewesen wäre.«
    Baltasar schloß die Augen. »Vielleicht hat er die Brötchen letzte Woche gekauft, hat sich heute früh Brote geschmiert, verstehst du, Scheiben, abgeschnitten von einem Laib, beschmiert mit Butter und belegt mit was weiß ich, Salami oder Schinken oder sonst was, und weder für das eine noch für das andere mußte er heute früh einkaufen gehen. Und ich glaube nicht, daß in dieser Jahreszeit noch große Mengen von Bonnern mit Bonner

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