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Und oben sitzt ein Rabe

Und oben sitzt ein Rabe

Titel: Und oben sitzt ein Rabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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Sekretär.«
    »Welchen, Arbeitgeber und Diktator?«
    Matzbach zog sein Scheckbuch heraus, desgleichen einen Füllhalter, malte einige Ziffern und Buchstaben auf ein buntes Stück europäischen Papiers und schob das Endergebnis Hoff über den Tisch zu.
    »Hier«, sagte er, »dein Gehalt für diese Woche. Mach mir gelegentlich mal 'ne Quittung. – Also, da du wenig von Pistolen hältst, denke ich mir, daß eine Erforschung der Sekretärinnen von diesem Stücker eher in dein Fach schlägt.«
    Hoff grinste. »Das ist natürlich ein liebenswerter Auftrag. Das, glaube ich, mache ich gern. Was möchtest du denn über sie wissen? Ihre Gewohnheiten, Vorlieben, Schuhgrößen oder was?«
    »So viel wie möglich über ihren Boss. Aber laß dir Zeit, du brauchst nicht alle gleichzeitig anzumachen.«
    Er starrte auf seine feisten Finger. »Moritz werde ich morgen belästigen. Ich werde ihn bitten, Madame Baginsky genauestens zu interviewen, unter besonderer Berücksichtigung der juristischen Aspekte von Saatgut. An Vorwaldt kommen wir nicht ran. Fricke ist mir ein Rätsel; ich wüßte zu gern, was ihn in die Rhön getrieben hat, aber im Moment weiß ich nicht, wie man dahinterkommen könnte, außer, indem man ihn direkt fragt. Stücker gehst du bitte von hinten an, auf dem Weg über seine Damen, soweit die erhältlich sind. Albring sollte am besten wohl auch Moritz machen.«
    »Er wird dich verfluchen.«
    »Soll er. Ich lade ihn demnächst in eine Eisdiele ein, das liebt er.«
    Hoff beugte sich neugierig vor. »So, damit hast du alle Arbeit verteilt. Und was machst du inzwischen? Versteckst dich unter Arianes Bett und wartest auf Erfolgsmeldungen?«
    »Ich verstecke mich unter niemandes Bett. Ich begebe mich morgen abend nach Köln, zur wöchentlichen Sitzung der Gesellschaft zur Stärkung der Verben e. V. Ich will erstens wissen, was das für ein Verein ist, und zweitens, was Naumann mit ihnen zu tun hatte. Und bis dahin, teurer Freund, werde ich mich meinem Kummerkasten widmen. Man muß ja schließlich irgendwas Unvernünftiges tun, sonst kommt man zu nichts.«
    »Nun denn, Frau Griseldis. Ist damit der Abend beendet?«
    »Wir könnten natürlich noch festzustellen versuchen, welche Sorte Wein heute im ›Gamsbart‹ gezapft wird und ob sie einen dritten zum Skat verlockt.«
    Hoff seufzte. »Ich sehe schon, das wird ganz harte Arbeit.«

10. Kapitel
    Die Gesellschaft zur Stärkung der Verben e. V. tagte in einem noblen alten Haus neben anderen alten noblen Häusern kurz hinter dem Kölner Zoo.
    Etwa fünfzehn Leute beiderlei Geschlechts drängten sich um einen Tisch in dem großen, gemütlich eingerichteten Raum im Parterre. Auf dem Tisch befanden sich Gläser und Flaschen. Eine mittelgroße Frau mit klaren, sympathischen Gesichtszügen blickte Matzbach neugierig an und kam ihm einige Schritte entgegen.
    Baltasar reichte ihr die Hand und stellte sich unter einem kleinen Neigen des Kopfes vor. »Matzbach.«
    »Ah, willkommen, Herr Matzbach. Wir haben gestern miteinander gesprochen. Ich bin Frau Gabrieli. Kommen Sie; darf ich Ihnen etwas anbieten?«
    Sie gingen zum Tisch; die anderen machten Platz und sahen Matzbach zum Teil mit unverhohlener Neugier, zum Teil diskret aus den Augenwinkeln an. Er stellte sich selbst laut vor, danach mußte er eine Serie von Händen drücken und hörte Namen. Manche waren lang, andere kurz, wieder andere schmerzlos oder albern, und die Hände variierten ebenfalls sehr stark; es fühlte sich an von schlapp über feucht und Wischiwaschi, aggressiv und ungern bis hin zum harten, sicheren Händedruck eines Mannes, den Matzbach auf Mitte Fünfzig schätzte, mit breiten Schultern, gut austrainierten Muskeln, gebräunt, einem starken Kinn und forschenden, grauen Augen in einem guterhaltenen Gesicht. Der Grund dafür, daß Matzbach von ihm mehr aufnahm als von den meisten anderen, war einfach und plausibel. Er stellte sich vor mit dem Namen »Stücker«.
    Während Matzbach sich unbewegten Gesichts für ein Glas trockenen Weins entschied, lebten rings um ihn herum die abgebrochenen Gespräche wieder auf. Halben Ohres vernahm er die Rede eines jüngeren Mannes, der seine Nachbarin wie folgt informierte: »Wissen Sie, gestern abend widerfuhr mir etwas Unangenehmes. Vielleicht sahen Sie bereits diese kleine Wunde an meinem Gelenk.« Er hielt die rechte Hand hoch, daß man den winzigen Schnitt sähe. »Als ich meine Nachttischlampe ausknops, schlopf die Birne aus der Fassung und zerschull. Einige Fragmente

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