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...und plötzlich war alles ganz anders... (Kriminalromane) (German Edition)

...und plötzlich war alles ganz anders... (Kriminalromane) (German Edition)

Titel: ...und plötzlich war alles ganz anders... (Kriminalromane) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olaf Borkner-Delcarlo
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war.
    Martelli besah sich interessiert das feine Vierfamilienhaus in Blankenese, im Nobelviertel Hamburgs gelegen. Hartgebrannte, braunrote Mauersteine, mit unterschiedlichen Brennfarben Zickzack-Muster bildend, mit schneeweißen Fensterrahmen und einer reich geschnitzte, weiß lackierte Eingangstür strahlte elegante hanseatische Würde aus. So wohnt man, wenn man über viel Geld verfügt. Und hatte man sehr viel mehr davon, so besaß man eine Villa, so wie die, die sich gleich neben dem vornehmen Wohnhaus mit ihren hohen Mauern hochnäsig vom Plebs der Stadt abgrenzte.
    Er nutzte die Gelegenheit und schlüpfte durch die Eingangstür, die ein Bewohner auf dem Weg nach draußen aufstieß: „Moin, moin“, murmelte der und hielt ihm die überbreite Tür auf. Martelli lächelte und ließ ein bayrisches Grüß Gott hören. Der Mann stutzte, schüttelte den Kopf und ging zu den Garagen, die sich hinter einer Thujenhecke gleich neben dem Haus versteckten.
    Langsam schritt er die breite Marmortreppe nach oben in den ersten Stock. Vor der zweiflügeligen Haustür der Wohnung Mario Micoliç blieb er stehen und betrachtete das auf Hochglanz polierte Messingschild. Nicht schlecht dachte Martelli, wenn man bedenkt, dass der Mann der hier so komfortabel residierte, eigentlich die letzten zwanzig Jahre im Gefängnis in Stadelheim hätte zubringen müssen.
    Martelli versuchte diesen Gedanken zu unterdrücken, aber es war ihm anzumerken, dass es ihm sehr schwer fiel. Er wollte sich nicht von seinen Gefühlen mitreißen lassen. Nur seinen Job wollte er tun. Er würde ihm nicht sagen, dass es seine Schwester war, an der er sich vergangen hatte. Nur sehen wollte er den Mann. Beobachten, wie er darauf reagierte, wenn Martelli ihm eröffnete, dass er ihm beweisen konnte, dass er vor vierundzwanzig Jahren ein hilfloses Mädchen vergewaltigt und umgebracht hatte.
    ***
    Als ihm Weber die Akten auf den Tisch warf, da hätte er sofort, den Fall wegen Befangenheit zurückgeben müssen. Aber er tat es nicht. Nun war es zu spät und es blieb ihm nichts weiter übrig, als so gut es eben ging seine Emotionen zu unterdrücken, bis er den Fall zu Ende gebracht hatte. Für zwei der Täter wäre die Sache sowieso erledigt, deren Tat war längst verjährt. Ein dritter fiel einem schrecklichen Unfall zum Opfer. Einem nützlichen Unfall, denn Malte Pieper war laut Akten der Ermittlungsbehörden das schwächste Glied in der Kette der Vier.
    Aber einer von ihnen war ein kaltblütiger Mörder, der Martellis Schwester auf brutale Weise erstochen hatte. Die zwei anderen Täter würden mit der Schuld leben müssen. Weder die unterlassene Hilfeleistung, noch die Beihilfe und auch nicht die Vergewaltigung würde zu einer Verurteilung führen. Solche Taten ließ der Staat einfach verjähren. Ungerecht wie Martelli fand. Die betroffenen Familien mussten ein Leben lang mit dem Verlust leben und die Täter brauchten nur abzuwarten, bis der Staat kein Interesse mehr an ihnen hatte. Verzieh, wo doch nur die Opfer verzeihen konnten.
    ***
    Er klingelte und wartete. Ein Mann öffnete ihm. Groß, massig, mit einer weit zurückreichender Stirnglatze über einem schwammigen Gesicht, grinste er ihn an.
    „Kriminaloberkommissar Martelli mein Name, von der Ermittlungsbehörde in München“, stellte er sich vor.
    „Ah, der Herr Kommissar“, sagte der Herr in feinem Maßanzug, der Martelli die Tür zu seinem Apartment öffnete: „Bitte“, sagte er und machte eine einladende Handbewegung, „treten Sie doch ein.“
    Martelli ging geradewegs auf die offene Wohnzimmertür zu und setzte sich ohne Aufforderung in den ersten Sessel, den er fand. Er wollte die Vernehmung so schnell wie möglich hinter sich bringen, denn er saß einem der Vergewaltiger seiner Schwester, vielleicht sogar ihrem Mörder gegenüber. Eine offizielle Vernehmung war es nicht. Sie wäre auch gar nicht erlaubt gewesen, das hätten die Kollegen aus Hamburg für ihn erledigen können und jetzt verwünschte er sich, überhaupt hergekommen zu sein.
    ***
    Wie hatte er sich das überhaupt vorgestellt? Was sollte er fragen? Er hatte überhaupt keine Kompetenzen in diesem Bundesland. Der Mann war Anwalt, wusste bestimmt, dass Martelli auf unsicherem Boden stand. Was wäre, wenn er sich beschwerte, sich an die Justizbehörde Hamburgs oder gar Münchens wenden würde?
    Dieser Mensch, der nachweislich seine Schwester vergewaltigt hatte, konnte ihm enorme Schwierigkeiten bereiten. Es sah nicht gut aus für Martelli,

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