Und Rache sollst du nehmen - Thriller
mange froid.«
»bortaS bIr jablu’DI’, reH QaQqu’ nay.«
»La vendetta è un piatto che si serve freddo.«
Ich brachte meine Stirn ganz nah an seine. Und flüsterte. »Rache ist ein Gericht, das am besten kalt serviert wird.«
Seine Augäpfel traten hervor, weil er schon wieder versuchte, etwas zu sagen. Aber ich verstand ihn auch so sehr gut. Rache? Wofür? Wer sind Sie? Woher kennen wir uns?
Dann war es auf einmal so weit. Er erkannte mich.
Oh ja, jetzt wusste er, was Sache war. Ich nickte und brachte endlich ein Lächeln zustande.
»Genau. Ganz genau.«
Wallace Ogilvie schüttelte den Kopf, nun restlos verzweifelt. Seine Augen bettelten, flehten mich an. Lass nur, dachte ich, nicht nötig. Und sinnlos sowieso.
»Ich werde dir kein Haar krümmen«, versicherte ich ihm.
Hoffnung keimte in seinen Augen auf, eine vage, kurzlebige Hoffnung. Okay, dieser Satz war vielleicht
ein klein wenig grausam von mir. Denn die Hoffnung schwand schlagartig, als ich die Hand nach dem Schalter an der Wand ausstreckte und der Raum in grelles Licht getaucht wurde.
»La vengeance est un plat qui se mange froid.«
Seine Augen nahmen zur Kenntnis, wo er sich befand, und gaben die Information an sein Hirn weiter.
Wir saßen in einem Kühlraum. Im Kühlraum einer riesigen Fleischfabrik, der eine ganze Herde gefrorener Rinder beherbergen konnte. Und mittendrin ich ganz allein mit Wallace Ogilvie. So weiß, wie die Wände im Neonlicht schimmerten, hätte man nicht gedacht, dass die Fabrik schon seit fast einem Jahr leer stand. In Litauen hatte man den ehemaligen Besitzern Subventionen angeboten, sie hatten ihre Siebensachen gepackt und waren gegangen. Zurück blieben eine komplette Belegschaft und eine unverkäufliche Fabrik. Für den Fall, dass doch noch ein Käufer gefunden wurde, war alles einsatzbereit, aber dazu war es nicht gekommen.
Die Sicherheitsmaßnahmen, sofern man überhaupt davon sprechen konnte, waren kinderleicht zu umgehen gewesen. Hier gab es nichts zu stehlen, hier gab es überhaupt nichts mehr. Auch keine Kadaver.
Noch nicht.
Inzwischen hatte Wallace Ogilvie es wohl langsam kapiert. Das erklärte zumindest, warum er anfing zu heulen. Er schluchzte, er schüttelte sich, er brüllte seine Wut heraus, tief hinter dem Klebeband.
Ich hatte viel über Mitleid nachgedacht. Immer wieder hatte ich mich gefragt, warum es mir so leichtfiel,
meine Bedenken beiseitezuschieben. Eigentlich hätte ich jetzt Mitleid empfinden müssen, das war mir klar. Schließlich war es die natürliche, menschliche Reaktion auf das Leid anderer, und an meiner Menschlichkeit hielt ich noch immer fest.
Doch meine Fähigkeit, Mitleid zu fühlen, war mit ihr gestorben. Mein Mitleid hatte sich am selben Tag verabschiedet wie meine Hoffnungen und Träume, wie mein Glaube. Ich hatte weder Zeit noch Verwendung für Mitleid. Ich schottete mich ab. Das ist einfacher, als man vielleicht denkt.
Wie auch immer. Da ich schon mit den anderen kein Mitleid gehabt hatte, würde ich mit Wallace Ogilvie erst recht keins haben. Bei den ersten dreien hatte ich der Versuchung widerstanden, Mitgefühl zu zeigen, und der Mann, der jetzt vor mir saß, machte es mir noch leichter.
Mitleidlos. Gnadenlos. Hartherzig. All das bekam ich auf die Reihe. Aber gefühllos war ich nicht. In diesem Moment schwappten die Gefühle nur so über mich weg.
Wallace Ogilvie ging es genauso. Er hatte sich eingepisst, unschwer zu erkennen an der Pfütze zu seinen Füßen und dem dunklen Fleck an seinem Schritt. Ein fürchterlicher Gestank machte sich breit, eine Mischung aus Urin, Angst und Schweiß. Wirklich ekelhaft, aber angesichts der Umstände auch bemerkenswert befriedigend. Es freute mich, zu wissen, dass Wallace Ogilvie so verängstigt war, dass er die Kontrolle über seine Blase verlor. Dass er so ein jämmerlicher Tropf war.
Ich hätte mir gerne eingeredet, dass er sich aus Reue
eingepisst hatte, doch aus Schuldgefühlen oder Bußfertigkeit macht man sich leider nicht in die Hose. Nein, er hatte Angst, pure Angst, sonst nichts. Aus Angst warf er sich vor seinem Gott in den Dreck, und dieser Gott war ich.
Es gab so vieles, das ich hätte sagen können, aber es kam nichts heraus. Meine Gedanken waren voll davon, doch ich brachte es nicht über die Lippen.
Ich starrte ihn an. Sein Kopf war auf die Brust gesunken. Wie leicht es gewesen wäre, ihn zu schlagen, ihm eine reinzuhauen, ihn zu erwürgen, ihm den Schädel einzutreten, ihm die Beine zu brechen. Eine
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