Und Rache sollst du nehmen - Thriller
Zwillingsfrühchen.
Victoria und Emma konnte so viel Schlimmes passieren, ein ganzes Universum an Katastrophen. Das war eine Tatsache. Ich hasste John und Fiona beinahe für ihre Ignoranz. Wie konnten sie so hartnäckig die Augen vor dem Schicksal verschließen, wie konnten sie so dumm sein in ihrer naiven Hoffnung?
Mc Gowan
Am 28. Februar 2010 wurde Neil und
Polly McGowan (geb. Rawstone) im Southern
General Hospital ein Sohn geschenkt, Angus Michael,
Claires kleiner Bruder.
Die auch nicht.
Angus. Ein guter Name, aber ziemlich anachronistisch. Die Leute sollten sich wirklich mehr Gedanken machen, wenn sie die Namen ihrer Nachkommen aussuchten. Wir hatten zwei Monate gebraucht, um uns auf »Sarah« zu einigen. Sarah war eine Prinzessin, die Frau Abrahams und die Mutter Isaaks. Wenn es ein Junge geworden wäre, hätte er David geheißen, der Geliebte.
Zwei Spalten Geburtsanzeigen. Eineinhalb Spalten Hochzeiten. Viereinhalb Spalten Todesfälle. Und drei Spalten mit Danksagungen, was letztlich auf drei weitere Spalten Tod hinauslief.
Ich betrachtete die letzten siebeneinhalb Spalten. Warum waren die Todesanzeigen gegenüber Geburten und Hochzeiten so deutlich in der Überzahl? Klar, die Bevölkerungszahlen gingen zurück, aber doch nicht so rasant.
Vielleicht hielt man Todesfälle für würdiger, in einer landesweiten Zeitung gemeldet zu werden – wenn es so war, roch diese Praxis für mich eher nach Schuldgefühlen als nach Ehrerbietung gegenüber den Dahingeschiedenen. Egal. Für meine Zwecke brachten Todesanzeigen offensichtlich nichts. Das wäre in vieler Hinsicht unpraktikabel gewesen.
Die letzte Heiratsanzeige würde es sein. Das hatte ich bereits entschieden, bevor ich die Zeitung kaufte. Es gab keinen Grund außer dem Zufall. Die Leute am Ende des Alphabets hatten eben einen Nachteil, einen potenziell gefährlichen Nachteil. So war nun mal das Leben.
Sinclair
Gardiner
Brian, Sohn von Archibald (†) und Elspeth
Sinclair, Arran,
und
Mary Anne,Tochter von Ian und Anne
Gardiner, Inchinnan,
haben am 20. Februar 2010
in der Iona Abbey geheiratet.
Die frisch verheirateten Brian Sinclair und Mary Anne Gardiner. Brian und Mary. Mr und Mrs Sinclair. Als die Verherrlichung ihrer Verbindung im Herald erschien, hatten sie gerade mal dreizehn Tage ehelicher Freuden erleben dürfen.
Da kam mir ein Gedanke: Eigentlich sollte ich Mr und Mrs Sinclair nicht voneinander scheiden. Sie sind also nicht mehr zwei, sondern eins. Was aber Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen. Matthäus 19,6.
Ich verwarf den Einfall. Gott und ich sprachen schon lange nicht mehr miteinander. Ein Doppelpack aus Mr und Mrs Sinclair hätte mir viel mehr Probleme bereitet. Die Frage, ob es richtig oder falsch war, die beiden auseinanderzureißen, trat hinter den praktischen Erfordernissen des Plans zurück. Brian und Mary waren zugleich Hindernis und Mittel zum Zweck.
Also, Brian oder Mary? Mann oder Frau?
Zuerst schwankte ich, doch dann beschloss ich, den alphabetischen Nachteil auszugleichen.
Und siehe, es sind Letzte, die werden die Ersten sein, und sind Erste, die werden die Letzten sein. Lukas 13,30.
Gott und ich sprachen zwar nicht mehr miteinander, aber an seine Worte erinnerte ich mich noch. Meine Wahl war gefallen. Auf Brian. Mrs Mary Sinclair, die noch im naiven Glück der Frischverheirateten schwelgte, durfte sich auf eine Zukunft als Witwe gefasst machen.
Heutzutage hatte ich nur noch Trauer zu verteilen. Und die war jetzt kaum noch auszuhalten.
27
Brian Sinclair war Läufer. Zweimal am Tag, jeden Tag, verließ er sein Heim am Ufer des White Cart in Inchinnan und steuerte den Hügel hinter dem Haus an, wo ein Pfad in den Wald abzweigte. Ich weiß nicht, wie lang die Strecke war, aber er brauchte immer eine gute Stunde dafür und schien ein sehr ordentliches Tempo vorzulegen. Körperlich war er in hervorragender Verfassung, was mich etwas beunruhigte. Die Sache musste sich nicht zwangsläufig zu einem größeren Problem auswachsen, aber man musste sie auf jeden Fall berücksichtigen.
Glücklicherweise war die frischgebackene Mrs. Sinclair keine Läuferin. Ihre Zweisamkeit schien sich nicht auf ein gemeinsames Fitnessprogramm zu erstrecken.
Ich hatte einen knappen Kilometer entfernt geparkt und im Schatten eines Baums Stellung bezogen. Von dort aus konnte ich das Haus im Blick behalten, ohne selbst gesehen zu werden.
Dann wartete ich. Und wartete noch ein bisschen.
Ich trug Jeans und Treckingschuhe, Hemd
Weitere Kostenlose Bücher