Und Rache sollst du nehmen - Thriller
ein Junkiemädchen, kaum siebzehn Jahre alt und völlig von der Rolle. Die dürren Hände zupften pausenlos an den Haaren, der Kopf zuckte, und sie rutschte ununterbrochen auf ihrem Sitz hin und her, noch hektischer als die Kinder. Die Kleine platzte vor überschüssiger Energie, während das Leben aus ihr heraussickerte. Vor langer Zeit musste sie mal gut ausgesehen haben.
Zwei Typen in weißen Arbeitsanzügen, vielleicht Anstreicher. Einer von ihnen war an der Schulter des anderen eingepennt, während sein Kollege aus dem Fenster und jedem Rock hinterherspähte. Bei der ein oder anderen klopfte er auch gegen die Scheibe, zwinkerte und winkte mit dem Arm, den sein Kumpel ihm gelassen hatte.
Eine Miniaturfassung von Glasgow. Sah nicht gerade aus wie eine Stadt in Angst, wie eine Stadt im Schatten des Cutters. Dabei wäre es durchaus angebracht gewesen, ganz besonders in diesem Bus. Ich hatte meine Entscheidung bereits getroffen: die erste Person, die am Viking in der Maryhill Road ausstieg. Warum? Warum nicht.
Die erste Mutter hatte den Absprung schon bei der
vorletzten Haltestelle geschafft, auf die Straße gezerrt und gedrückt von ihren Gören und Einkaufstüten. Ich war froh, sie von hinten zu sehen. Die beiden kleinen Schulschwänzer waren immer noch da, aber ich ging davon aus, dass sie bis in die Innenstadt durchfahren würden. Zumindest hoffte ich es. Sehr.
Wir näherten uns dem Viking. Gleich. Ich spürte meine Anspannung. Mein Herzschlag beschleunigte. Einer von ihnen würde es sein, irgendeiner.
Der Knasti in der Lederjacke bewegte sich, ich blickte ihn an. Der wäre mir recht. Doch er blätterte lediglich die Seiten des Sportteils um und machte es sich wieder gemütlich. Okay, der nicht.
Da sprang einer der kleinen Teufel auf. Mein Herz setzte aus, meine Atmung versagte. Der Junge klatschte seinem Freund mit der flachen Hand auf den Hinterkopf und ließ sich wieder auf den Sitz plumpsen. Die Revanche für vorhin. Der auch nicht.
Ich hatte gerade wieder angefangen zu atmen, als eine Frau an mir vorbeieilte, offenbar um beim nächsten Halt auszusteigen. Ich sah sie bloß von hinten. Sie war genauso breit wie groß, ein bisschen mehr, und sie wäre zwischen den Sitzreihen stecken geblieben. Eine kleine, rundliche Person mit dicken Füßen in schlichten schwarzen Schuhen. Dazu ein dunkler Regenmantel mit passendem Schal und obendrauf ein rötlicher Topfschnitt.
Sie wollte raus. Sie war es.
Während sie vorne wartete, bis der Bus zum Stehen kam, handelte sich meine Kandidatin ein paar Kommentare
von dem Alki ein, der sein Glück bereits bei der Matrone versucht hatte. Ich bekam nicht mit, was er sagte und was sie antwortete, aber es war glasklar, wer gewann. Die Fettkugel keifte irgendetwas, und sofort drehte sich der Besoffene zum Fenster und schlang sich die Arme um den Kopf, als müsste er vor einem Orkan in Deckung gehen. Heute war einfach nicht sein Tag. Innerhalb von zwanzig Minuten hatten ihn zwei echte Glasgower Prachtexemplare zur Strecke gebracht.
Erst als der Bus angehalten hatte, stand ich auf und ging zum Ausgang. Mittlerweile wollten einige Leute zusteigen, weshalb ich mir einen wütenden Blick vom Fahrer gefallen lassen musste. Aber das war es mir wert, denn als ich ins Freie trat, watschelte die Fettkugel längst die Straße hinunter, ohne mich ein einziges Mal angeschaut zu haben.
Sobald sie den Fuß aufs Pflaster gesetzt hatte, griff sie in ihre Tasche und holte etwas raus.Was es auch war, sie schob es von der einen Hand in die andere und steckte es am Ende wieder ein. Nach ein paar Metern wiederholte sie die Übung.
Nochmal zehn Meter, sie war gerade am Viking vorbei und hatte die Straße überquert, als ihre Finger schon wieder in die Tasche wanderten. Sie zog hervor, was auch immer sie ständig hervorzog, doch diesmal blieb sie kurz stehen und schirmte es mit der Hand ab, bevor sie weiterging. Sie hatte sich eine Zigarette angezündet.
Ich war immer noch auf der anderen Straßenseite, als sie kehrtmachte und in die Richtung zurücklief, aus der sie gekommen war. Jetzt walzte sie entschlossen voran,
fett, aber flott, ein massives Schlachtschiff in stürmischer See.
Plötzlich bog sie scharf links ein und verschwand im Tesco an der Maryhill Road. Ich folgte ihr und schnappte mir zur Tarnung schnell einen Einkaufskorb. Die Kameras hatten mich zweifellos im Visier, als ich den Supermarkt betrat, aber das machte nichts. Ich war einer unter Hunderten, unter Hunderten am heutigen
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