Und Rache sollst du nehmen - Thriller
nicht um Wut. Es ging um Rache.
40
Ich stieg in den Bus. In die Nummer 40 von Maryhill in die Stadt.
Wir waren zu dritt an der Bushaltestelle: ich, ein Alki und eine Matrone wie aus dem Bilderbuch. Die beiden waren in Sicherheit.Wer auch immer es sein würde, die beiden jedenfalls nicht.
Obwohl der Alki sich wirklich nach Kräften um die Stelle bewarb. Er führte den üblichen taumelnden Stepptanz auf und brabbelte dabei vor sich hin. Wer es wagte, ihn anzublicken, erntete ein wütendes Starren – das typische Glasgow-Starren, das man sich immer abholen kann, wenn ein Typ so viel intus hat, dass er in seinem Kopf fünfzehn Zentimeter größer, zehn Kilo schwerer und hundert Prozent härter ist als in Wirklichkeit.
Ich kümmerte mich nicht weiter um ihn. Ich hatte Wichtigeres zu tun.
Als ich nicht auf sein Spielchen einging, versuchte er es bei der Matrone, aber die kannte seine Sorte nur zu gut. Die Dame zuckte nicht mal mit der Wimper.
»Was soll das? Was starrst du mich so an?«, fragte sie.
»Häh?«
»Ich sagte, was starrst du mich so an? Starr mich nicht an, Kleiner. Verpiss dich.«
»Kommen Sie, Ma’m, ich hab Ihnen doch nichts getan. «
»Komm du mir hier nicht mit ›Ma’am‹, du mieser kleiner Sack. Noch ein Wort, und ich schreie, bis mein Mann runterkommt. Der zeigt dir, wo’s langgeht.«
Aber ihr Mann war gar nicht nötig, um ihm zu zeigen, wo’s langging. In einem fairen Kampf hätte ich jederzeit auf die Matrone gesetzt. K.o. in der ersten Runde, keine Frage.
Leider war der Alki alkoholisiert genug, um diese Tatsache nicht mehr zu umreißen.
»Scheiße, Mann, dann hol halt deinen Typen runter«, erwiderte er. »Kannst ihm ausrichten, dass er mir leidtut. Wer mit so ’nem Monster verheiratet ist …«
Die Matrone schnaufte empört. Ich war mir sicher, dass sie ihm gleich eins überziehen würde, als die Nummer 40 um die Ecke bog und vor uns bremste.
Der Alki warf ihr ein schiefes Lächeln zu, trat zur Seite und überließ ihr galant den Vortritt. Er verbeugte sich bis zur Erde und zog dabei den rechten Arm großräumig durch die Luft.
Die Matrone stürmte an ihm vorbei, ohne zur Seite zu schauen, und bezog auf halber Höhe des Busses Stellung, die Handtasche an den eindrucksvollen Busen gepresst.
Danach kletterte der Alki in den ersten freien Sitz. Als der Bus losfuhr, klatschte sein Kopf gegen die Fensterscheibe, was er aber offensichtlich nicht mehr mitbekam.
Ich saß vier Reihen hinter der Matrone und sah mich erst mal in Ruhe um. An Bord der Nummer 40 befanden sich um die zwanzig Leute. Eine Miniaturfassung von Glasgow, das ganze Panorama des menschlichen Lebens.
Weiße und Asiaten. Jung und Alt. Shoppingfreaks und Bürovolk. Gauner und Cops. Protestanten, Papisten, Polen und Pakis. Ein Paradies für Rassisten jeder Couleur.
Junge Kerle in Billiganzügen auf dem Weg ins Call-Center. Assis in Trainingsanzügen auf dem Weg zu ihrer bevorzugten Straßenecke. Ältere Typen auf dem Weg ins Wettbüro oder zum Schnapsladen.
Zwei Kids vergnügten sich mit einer freundschaftlichen Keilerei. Erst schlug der eine dem anderen auf den Hinterkopf, dann bezeichnete der andere den einen als Fotze, und am Schluss kicherten sich alle beide halbtot. Eigentlich hätten die kleinen Teufel in der Schule sein müssen.
Eine Mutter mit zwei Kindern und zwei großen Einkaufstüten. Sie hatten sich zu fünft auf zwei Sitze gezwängt, die Mutter außen, der Rest eingeklemmt zwischen ihr und dem Fenster. Die Bengel wanden sich wie die Aale, die Tüten hüpften auf und ab. Sie saßen allesamt in der Falle, aber sie gaben sich nicht geschlagen.
Noch eine Mutter, erst Mitte zwanzig, aber mit drei Kindern. Bald kannte der gesamte Bus die Namen ihrer Brut: Chloe, Chantelle, Candice. Besonders Chantelle war ein richtiges Herzchen. Sie ließ sich begeistert von der Haltestange im vorderen Teil des Busses baumeln, was ihr böse Blicke vom Fahrer und scharfe Ermahnungen von ihrer Mutter einbrachte.
Scheiße. Es fiel mir immer schwerer, die Sache durchzuziehen, deutlich schwerer. Seit dem Moment, als Wallace Ogilvie gestorben war.
Ein Knasti in zerfetzter Lederjacke. Auch sein Gesicht war zerfetzt, eine alte Schnittwunde zog sich vom Ohr bis zur Lippe. Er starrte auf die Rückseite eines Daily Record und schüttelte den Kopf. Auf der Vorderseite prangten die neuesten Nachrichten vom Cutter, doch er interessierte sich ausschließlich für Celtics mutmaßliche Neuerwerbungen.
Zwei Reihen hinter ihm hockte
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