Und raus bist du: Kriminalroman (German Edition)
Sorgen machte, was die Nachbarn denken könnten.
Seine Mutter war wirklich ein Fall für sich, mit all ihren Geheimnissen. Geheimnisse war vielleicht das falsche Wort, aber sie war äußerst sparsam, wenn es darum ging, etwas zu erzählen, was für ihn wichtig war. Er erinnerte sich, wie oft er versucht hatte, etwas über seinen Vater herauszubekommen; den Vater, den er nie kennengelernt hatte. Alles, was er hatte, waren die verwischten Erinnerungen an einen Mann, der an einer mysteriösen Krankheit gestorben war, bevor er selbst drei Jahre alt war.
Sjöberg musste an den Grundbuchauszug denken, den er zwischen den Papieren seiner Mutter gefunden hatte, als er ihr geholfen hatte, ihre Rechnungen zu bezahlen, nachdem sie von einem Hocker gefallen war und sich ein paar Rippen gebrochen hatte. Ein Grundbuchauszug zu einem Grundstück mit der Bezeichnung Björskogsnäs 4:14. Seine Mutter behauptete, dass sie nicht wisse, wo dieses Grundstück liege. Es müsse von seinem Vater sein. Aber war es wirklich denkbar, dass sie – wenn sie von diesem Grundstück tatsächlich erst nach seinem Tod erfahren haben sollte – nicht neugierig geworden wäre und herauszufinden versucht hätte, was es damit auf sich hatte? Es schien ihm unwahrscheinlich, aber aus seiner Mutter würde er nichts herausbekommen, Kriminalkommissar hin oder her, er hatte es schon versucht.
Plötzlich verspürte er ein unwiderstehliches Bedürfnis, dieser alten Grundstücksgeschichte nachzugehen. Wenn er schon hier sitzen, Einar spielen und »Papiere hin- und herschieben« musste, wie Sandén es ausgedrückt hatte, dann konnte er auch herauszufinden versuchen, wo dieses Grundstück lag.
Er wählte die Nummer der Auskunft und ließ sich mit dem Grundbuchamt der Stadt Stockholm verbinden. Nachdem er ein paar Minuten gewartet hatte, kam er an die Reihe. Sjöberg stellte sich vor und erklärte sein Anliegen:
»Ich habe einen Grundbuchauszug mit einer Katasternummer, aber ich habe keine Ahnung, wo in Schweden dieses Grundstück liegt, sodass ich mit Sicherheit das falsche Grundbuchamt angerufen habe. Können Sie mir trotzdem helfen?«
»Natürlich«, sagte die Frau, mit der er verbunden worden war. »Es kann eine Weile dauern, aber geben Sie mir einfach die Katasternummer, dann werden wir sehen.«
»Björskogsnäs 4:14«, sagte Sjöberg.
Sie buchstabierte den Namen, um sicherzugehen, dass sie ihn korrekt aufgeschrieben hatte, und nach ein paar Minuten meldete sie sich zurück.
»Björskogsnäs 4:14 liegt in Västmanland«, sagte sie. »In der Nähe von Arboga.«
»Arboga?«, murmelte Sjöberg.
»Arboga«, bestätigte sie. »Möchten Sie, dass ich Ihnen einen Kartenausschnitt zufaxe?«
»Gerne«, sagte Sjöberg, ohne die geringste Ahnung zu haben, was er mit dieser Information anfangen sollte.
*
Er erwachte mit einem Ruck. Obwohl er den größten Teil der Nacht geschlafen hatte, war es ihm geglückt, auch am Vormittag noch eine Weile zu schlummern. Er schlief immer nur kurze Zeit am Stück, weil ihn die Schmerzen dazu zwangen, etwa alle zehn Minuten die Stellung zu ändern. Mittlerweile weckte er sich selbst, wenn es so weit war. Sein Körper hatte eine Routine entwickelt, sodass er nach einem kurzen Schlaf wieder aufwachte. Das Leben auf dem kalten, splitternden Holzboden im Werkzeugschuppen war schon fast zur Routine geworden.
Er schob sich in eine sitzende Stellung an der kalten Außenwand, bewegte sich langsam, fast träge. Ein paar Minuten widmete er dem Versuch, die Fesseln zu dehnen. Die Vernunft sagte ihm, dass er etwas tun musste, um nicht vollkommen zu resignieren, und dazu konnte er sich eben noch aufraffen. Er hoffte nicht mehr, er schaute nicht nach vorn. In seinem Leben würde es nichts mehr geben, was sich anzuschauen lohnte, er blickte stattdessen in die Vergangenheit zurück. Er sah sich selbst mit den beiden kleinen Jungen auf sich, wie zwei warme Kissen, flauschige Küken, die man zwicken und schnappen und mit denen man herumrollen konnte. Sie hatten praktisch keine Kanten, und wenn man einen Ellenbogen ins Auge bekam, dann tat es aus irgendeinem Grund nicht einmal weh. Die Körper waren darauf eingestellt, nicht wehzutun, also taten sie es auch nicht.
»Tante Mädchen pflanzt Blumen auf dem Balkon«, knurrte er, während er Tobias mit gestreckten Armen über sich in die Luft stemmte.
»Oh«, sagte Andreas, »können wir ihr helfen? Ich pflanze so gerne Blumen!«
»Natürlich, da freut sie sich bestimmt. Dann kann die Tante
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