Und raus bist du: Kriminalroman (German Edition)
der Mann.
Der alte Knacker hat bestimmt nicht mehr alle Tassen im Schrank, dachte Sjöberg. Er hatte mehr als einmal gehört, wie Eriksson von seiner Frau gesprochen hatte. Sie hatten sich zwar niemals direkt über sie unterhalten, aber sie hatten sich ja auch sonst nie über Dinge unterhalten, die nichts mit der Arbeit zu tun hatten. Außerdem war er sich so gut wie sicher, dass Eriksson einen Ring am Finger trug. Als wollte er Sjöbergs Vermutung widerlegen, dass er nicht mehr bei vollem Verstand war, fuhr der Mann fort:
»Aber zurückgekommen sein muss er ja, falls der Herr Kommissar sich das fragen sollte. Das Auto steht ja dahinten, und da hat es auch schon am Sonntagmorgen gestanden.«
Mit einem Nicken deutete er auf einen alten Toyota Corolla, der zu dieser Tageszeit ziemlich einsam auf dem Parkplatz stand.
»Dann danke ich Ihnen sehr für Ihre Auskünfte«, sagte Sjöberg erleichtert. Jetzt musste er auf der Suche nach seinem Kollegen wenigstens nicht alle möglichen Krankenhäuser abtelefonieren.
Der alte Mann ruckte leicht an der Leine, und der kleine Hund zog zielstrebig mit ihm davon. Sjöberg fragte sich, ob das Tier vor Lottens und Mickes Augen Gnade finden würde. Die Rezeptionistin und einer der Hausmeister auf ihrer Polizeistation waren hundeverrückt, im wahrsten Sinne des Wortes; ihre Köter schickten einander Weihnachtskarten und tauschten Glückwünsche und Geschenke zu ihren Geburtstagen aus. Und jetzt hatte auch Jenny, Sandéns leicht beeinflussbare Tochter, sich von dieser Hysterie anstecken lassen.
Er ging ins Treppenhaus und stieg ein halbes Stockwerk nach oben. Vor der Tür mit dem Namen Eriksson auf dem Briefschlitz blieb er stehen und drückte auf die Klingel. Er hörte, wie es in der Wohnung läutete, aber dann blieb es still. Nach zwei weiteren Versuchen schaute er sich vorsichtig um, bevor er sein Pickset aus der Jackentasche zog. Eriksson hatte Gott sei Dank ein ganz normales Schloss in der Tür, und Sjöberg brauchte nur wenige Minuten, um sich Einlass zu verschaffen.
Er rief Einars Namen, erntete aber nur Schweigen. Das Erste, was er sah, war eine Golftasche. Sjöberg hatte keine Ahnung von Golf, aber nach seinem ersten spontanen Eindruck war sie ziemlich alt. Er hatte sich Eriksson nie als Golfer vorgestellt. An der Wand im Flur hing eine gerahmte Schwarzweißfotografie, auf der eine bedeutend jüngere Ausgabe von Einar und eine junge, hübsche Frau zu sehen waren. Einen jungen Eriksson hatte Sjöberg sich noch nie vorgestellt. Oder einen glücklichen. Aber auf dem Bild sah er zweifellos glücklich aus. Keine Sorgen hatten ihre Spuren in dem lächelnden Gesicht hinterlassen, und die Offenheit, die sich darin widerspiegelte, hatte er noch nicht einmal ansatzweise erlebt.
Einar Eriksson lebte in einer Einzimmerwohnung, die aus einem kleinen Flur, einem ziemlich großen Zimmer mit Bett, Sofa und Sessel, einem Badezimmer sowie einer Küche mit einem Esstisch für eine Person bestand. Er nahm zur Kenntnis, dass es sich um ein Einzelbett handelte. Sjöberg seufzte erleichtert, nachdem er die Wohnung hastig durchsucht hatte, ohne seinen Arbeitskollegen betrunken, verletzt oder gar tot aufgefunden zu haben. Aus beruflicher Gewohnheit schaute er die Post durch, die sich auf dem Fußboden angesammelt hatte, und stellte fest, dass Eriksson seit Samstag nicht mehr die Zeitung gelesen oder sie auch nur vom Boden aufgehoben hatte. Wo zum Teufel konnte er bloß stecken? Er rief sich ins Gedächtnis, welche Kleidung Eriksson zu dieser Jahreszeit immer trug. Weder die robusten Schuhe noch die schwarze Winterjacke waren irgendwo in der Wohnung zu finden. Eriksson musste also am Samstagabend mit dem Auto nach Hause gekommen sein, wie er es nach den Worten seines Nachbarn immer tat, um dann vor dem Frühstück am Sonntagmorgen wieder zu verschwinden. Es war vollkommen unbegreiflich.
Was Sjöberg allerdings am meisten bekümmerte, war die Tatsache, dass niemand Einar Eriksson zu vermissen schien. Weder die Nachbarn noch die Arbeitskollegen – abgesehen von ihm selbst natürlich, was allerdings vor allem daran lag, dass er gezwungen war, die Tätigkeiten auszuführen, für die ansonsten Einar zuständig war, und ihm die ganze Situation sauer aufzustoßen begann. Und Frau Eriksson – wo war sie geblieben?
Für einen Moment spielte er mit dem Gedanken, Sandén anzurufen, aber er hielt sich zurück. Vielleicht war es trotz allem ja doch etwas übereilt gewesen, in Einar Eriksson Wohnung
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