Und raus bist du: Kriminalroman (German Edition)
bisschen aus dem Ruder gelaufen. Das ist schon vergessen.«
»Keine Anzeige?«
»Anzeige? Soll das ein Witz sein?«
»Sehe ich aus, als würde ich Witze machen?«
»Es würde mir nicht im Traum einfallen, einen Kollegen anzuzeigen«, log Hamad schon wieder. Denn er hätte bestimmt nicht gezögert, einen korrupten Bullen anzuzeigen oder einen, der in irgendeiner Form seine Position auf kriminelle Weise missbrauchte. Hier jedoch ging es um etwas ganz anderes.
»Nicht einmal, wenn sich herausstellen sollte, dass du dir irgendwelche Verletzungen zugezogen hast?«
»Das würde ich dann als Arbeitsunfall betrachten«, antwortete Hamad ohne die Andeutung eines Lächelns.
»Und wie, glaubst du, wollt ihr in Zukunft zusammenarbeiten?«, bohrte Malmberg hartnäckig weiter.
»Das wird hervorragend funktionieren«, antwortete Hamad ohne zu zögern. »So, wie es immer schon funktioniert hat. Und die Arbeit kommt immer zuerst«, fügte er aus der schwammigen Überlegung heraus hinzu, sich dem Team als Ganzes gegenüber solidarisch zu zeigen.
Oder tat er es in erster Linie für Petra? Und wenn ja, warum war es so wichtig, gerade ihre Professionalität herauszustreichen? Tja, weil sie eine Frau war, wurde ihm plötzlich klar. Sie wurde vermutlich genau deshalb öfter unter die Lupe genommen als der Rest der Truppe. Und wenn er daran dachte, wie sehr er selbst es verabscheute, sich in so einer Situation zu befinden ...
»Gerade Westman ist ja ein leuchtendes Beispiel dafür. Sie ist unheimlich konzentriert und professionell«, verkündete er und war auf einmal sehr zufrieden mit seiner Art, mit diesem Verhör umzugehen, seinem erstaunlich geschickten Lavieren zwischen all diesen Minenfeldern.
»Wie machen wir also weiter?«
Dieses wir klang ganz übel in Hamads Ohren. Malmberg und die übrige Mafia von der Direktorenetage musste so schnell wie möglich von dieser Geschichte abgekoppelt werden, damit Petra und er selbst die beste Lösung für ihr Problem finden konnten.
»Ich werde mit ihr sprechen. Wenn wir uns das nächste Mal sehen, wird diese Angelegenheit vom Tisch sein, das kann ich dir versprechen.«
»Das wollen wir doch hoffen. Aber ich habe immer noch keine Erklärung dafür bekommen, was eigentlich passiert ist«, sagte Malmberg mit einer Stimme, die trockener klang als Zunder.
Giftig wie ein Terrier, dachte Hamad und zögerte einen Moment, bevor er antwortete.
»Tja, was soll ich sagen? Du weißt doch, wie Frauen manchmal sind? PMS.«
Es passte wie die Faust aufs Auge, und Malmbergs zynisches Gesicht sprang von Ohr zu Ohr auseinander. Hamad hatte eine echte Quality Time mit dem stellvertretenden Polizeidirektor, und so – von Mann zu Mann – war es ihm vielleicht gelungen, die Angelegenheit zumindest in ihrer politischen Dimension aus der Welt zu schaffen, sodass er nun wieder von vorne anfangen konnte. Malmberg verließ sein Zimmer mit einem lauten Lachen, das noch eine ganze Weile aus dem Flur zu hören war.
Hamad stellte sich ans Fenster und schaute in der beginnenden Dämmerung auf den Hammarbykanal. Er fühlte sich schlecht.
Donnerstagabend
» S ein Zustand sei kritisch, aber stabil, haben sie gesagt. Er hat selbstständig geatmet, aber der Puls war sehr hoch. Ich dachte ja erst, er sei tot, sein Blick war ganz starr; aber dann merkte ich, dass seine Pupillen auf Licht reagierten. Er ist bei seinem Anfall in Glasscherben getreten, sodass sein Fuß ganz blutig war, und er hat mit den Fäusten gegen die Wand gehämmert, was höllisch wehgetan haben muss. Außerdem hat er sich beim Fallen einen Arm gebrochen. Und er hat nicht im Geringsten auf die Schmerzen reagiert. Sie sagen, dass er katatonisch ist.«
»Katatonisch – geht das wieder vorbei?«, fragte Sjöberg.
»Kommt anscheinend drauf an«, erwiderte Westman. »Bei ihm kann es von einem möglichen Hirnschaden herrühren – den er sich durch den Fall zugezogen hat oder als er den Kopf gegen die Wand schlug – oder von einer Art mentalem Schock oder wie man es nennen soll, als Reaktion auf das Foto. Sie haben auch von einem epileptischen Anfall gesprochen; ich weiß nicht, ob das auch psychische oder nur physische Ursachen haben kann. Wie auch immer, er bekommt Elektroschocks und Tropfen. Es besteht Hoffnung, dass er wieder gesund wird.«
»Erzähl mir, was passiert ist.«
»Aber das habe ich doch gerade getan.«
»Dann erzähl es noch einmal, aus psychologischer Perspektive sozusagen.«
Westman räusperte sich und begann von vorn.
»Er
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