Und raus bist du: Kriminalroman (German Edition)
war genau so, wie ihr ihn beschrieben hattet. Schweigsam. Ein bisschen traurig, würde ich sagen. Schleppende Sprechweise, für jemanden wie Jens muss es eine echte Herausforderung gewesen sein. Er kommentierte den Tod seiner Frau und der Kinder mit keinem Wort. Als würde es ihn gar nicht berühren. Oder als ob er nicht glaubte, dass es ihn berühren dürfte, wenn du verstehst, was ich meine?«
»Als hätte er das Recht verwirkt, sie zu betrauern?«
»Genau. Und dann begann er ganz unvermittelt über Schuld zu sprechen.«
»Schuld?«
»Ja, er sagte so etwas wie, dass die Schuld eine Kette ist, die man mit sich herumschleppt, aber dass man sich daran gewöhnt.«
»Und in welchem Zusammenhang hat er das gesagt?«, wollte Sjöberg wissen.
»Hamad hat ihn gefragt, ob er ein schlechtes Gewissen hätte, weil er keine Verantwortung für die Kinder übernommen habe. Da sagte er, dass er ein schlechter Vater gewesen sei. Dann hat er noch etwas Seltsames gesagt. Dass er seinen Kindern nicht im juristischen Sinne das Leben genommen habe.«
»Als würde er trotzdem glauben, dass er irgendwie den Tod der Kinder verursacht hat? Dass er moralisch verantwortlich ist?«
»So habe ich es verstanden.«
»Das würde ja bedeuten, dass er trotz allem etwas über die Morde weiß«, sagte Sjöberg nachdenklich. »Ich meine, selbst wenn er sie nicht begangen hat.«
»Er hat geleugnet, sie ermordet zu haben. Die Frage hat er ganz klar mit Nein beantwortet.«
»Und dann habt ihr ihm das Foto gezeigt?«
»Zuerst haben wir ihn gefragt, ob er wusste, dass es einen neuen Mann in Catherines Leben gab, einen Erik. Das wusste er nicht. Dann sagten wir, dass dieser Erik eigentlich Einar Eriksson hieß, worauf in seinen Augen etwas aufblitzte. Ich hatte das Gefühl, dass dieser Name ihm etwas sagte. Aber es war ganz schnell wieder vorbei.«
»Vielleicht machte er sich klar, dass es viele Leute mit diesem Namen gibt?«, schlug Sjöberg vor.
»Gut möglich, aber vielleicht hat er seine Reaktion auch nur schnell wieder unterdrückt«, spekulierte Westman. »Auf der anderen Seite fragte er – bevor Hamad ihm das Foto zeigte –, ob wir Einar Eriksson der Morde verdächtigten. Darauf hat Hamad natürlich eine ausweichende Antwort gegeben, so in der Art, dass wir möglichst viele der denkbaren Möglichkeiten ausschließen wollen. Du weißt schon.«
»Aber dann, als er das Bild schließlich gesehen hat ...«
» ... ist plötzlich die Hölle ausgebrochen. Ja, den Rest kennst du ja.«
»Und was glaubst du, Petra? Ist Christer Larsson unser Mann?«
»Absolut nicht. Einar Eriksson ist unser Mann. Und wenn Christer Larsson aus seinem Zustand erwacht, wird er uns erzählen können, warum. Darüber hinaus wäre er dann auch bereit zu morden; das ist jedenfalls mein Eindruck gewesen.«
»Du meinst, Einar zu ermorden?«
»Genau.«
»Vielleicht hat er das schon getan?«
»Wie erklärst du dir dann die Reaktion auf das Foto, Conny?«
»Christer Larsson ist vielleicht ein guter Schauspieler.«
»Das glaubst du doch selbst nicht«, entgegnete Westman, und in diesem Punkt musste er ihr recht geben.
Sjöberg fasste kurz seinen eigenen Tag und die Begegnungen mit Ingegärd Rydin, Solveig Eriksson und Ann-Britt Berg zusammen. Westman berichtete von den fruchtlosen Versuchen, in der kleinen Wohnung in der Eriksdalsgatan eine Ursache für Einar Erikssons Verschwinden zu finden. Auch die Nachbarn in seinem Mietshaus hatten nichts Wertvolles beizutragen gehabt.
»Und ich werde jetzt in die Stadt gehen und mir ein Beefsteak mit Béarnaise und ein großes Bier genehmigen«, beendete Sjöberg das Gespräch.
Was allerdings nur zum Teil der Wahrheit entsprach, denn sobald er den Hörer aufgelegt hatte, streckte er sich erst einmal auf dem Bett aus und dachte über den Zwischenfall mit Christer Larsson nach. Verdammt ärgerlich, dass er nicht dabei gewesen war. Westman hatte zwar eine farbige und sehr ausführliche Beschreibung des Geschehens abgeliefert, aber er hätte einiges dafür gegeben, Christer Larssons Reaktion mit eigenen Augen zu sehen.
Immerhin taten sich nun ganz neue Perspektiven für die Ermittlungen auf. Christer Larsson und Einar Eriksson hatten eine gemeinsame Vergangenheit, das war ganz offensichtlich. Und er selbst befand sich gerade in Arboga, der Stadt, in der Einar Eriksson in seinen ersten Berufsjahren als Polizist gearbeitet hatte. Der Stadt, in der zur selben Zeit auch Christer Larsson und Ingegärd Rydin zusammengelebt hatten.
Weitere Kostenlose Bücher