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Und so verlierst du sie

Und so verlierst du sie

Titel: Und so verlierst du sie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Junot Díaz
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Unterwäsche auf dem Bett und sagte keinen Ton zu mir, während ich mit Pura auf der Bettkante saß, ihr brav irgendwelche Tabletten erklärte, und sie nickte und nickte, aber nicht so aussah, als würde sie irgendwas verstehen.
    Und dann fragte ich leise, Isst er in letzter Zeit? Musste er sich übergeben?
    Pura warf meinem Bruder einen Blick zu. Er war muy fuerte.
    Keine Übelkeit? Kein Fieber?
    Pura schüttelte den Kopf.
    Na gut. Ich stand auf. Tschüs, Rafa.
    Tschüs, Sackgesicht.
    Doña Rosie war immer bei meiner Mutter, wenn ich von diesen Aufträgen zurückkam, damit Mami nicht zu verzweifelt wirkte. Wie hat er ausgesehen?, fragte la Doña. Hat er etwas gesagt?
    Er hat mich Sackgesicht genannt. Klingt doch vielversprechend.
    Als Mami und ich einmal auf dem Weg zu Pathmark waren, entdeckten wir in einiger Entfernung meinen Bruder mit Pura und dem Blag. Ich drehte mich um, um zu sehen, ob sie winken würden, aber meine Mutter ging weiter.

    Der September brachte die Schule zurück. Und Laura, die weiße Kleine, hinter der ich her war und der ich umsonst Gras gegeben hatte, tauchte wieder in ihrem üblichen Freundeskreis ab. Auf dem Flur sagte sie natürlich noch Hallo, aber plötzlich hatte sie keine Zeit mehr für mich. Meine Jungs fanden das unglaublich witzig. Bist wohl doch nicht der Richtige. Wohl nicht, sagte ich.
    Offiziell sollte das mein letztes Highschooljahr sein, aber selbst das war fraglich. Aus der Honor Roll der besten Schüler war ich schon rausgerutscht und war nun bei denen, die fürs College vorbereitet werden mussten – was an der Cedar Ridge im Grunde hieß, dass ich es nicht ans College schaffen würde –, und jetzt las ich nur noch, und wenn ich zu high zum Lesen war, starrte ich aus dem Fenster.
    Nach ein paar Wochen mit diesem Schwachsinn fing ich wieder an zu schwänzen, was mich überhaupt erst die Honor Roll gekostet hatte. Meine Mutter ging früh zur Arbeit, kam spät zurück und konnte kein Wort Englisch lesen, also lief ich nicht mal Gefahr, erwischt zu werden. Deshalb war ich auch zu Hause, als mein Bruder irgendwann die Tür aufschloss und hereinkam. Er erschrak, als er mich auf dem Sofa sitzen sah.
    Was zum Teufel machst du hier?
    Ich lachte. Was zum Teufel machst
du
hier?
    Er sah schrecklich aus. In einem Mundwinkel hatte er schwarze Fieberbläschen, und seine Augen lagen tief in den Höhlen.
    Was zur Hölle tust du dir an? Du siehst echt beschissen aus.
    Ohne mich zu beachten, ging er in Mamis Zimmer. Ich blieb sitzen und hörte ihn eine Weile herumkramen, bevor er wieder verschwand.
    Das Spielchen wiederholte sich zweimal. Erst, als er zum dritten Mal in Mamis Zimmer rumorte, dämmerte meiner Kifferbirne, was da los war. Rafa nahm das Geld, das meine Mutter in ihrem Zimmer aufbewahrte! Es lag in einer kleinen Metalldose, für die sie immer neue Verstecke suchte, aber ich behielt sie trotzdem im Auge, falls ich mal schnell etwas Kohle brauchte.
    Ich ging in ihr Zimmer, während Rafa den Wandschrank durchwühlte, zog die Dose aus einer ihrer Schubladen hervor und klemmte sie mir fest unter den Arm.
    Er kam aus dem Wandschrank. Er sah mich an, ich sah ihn an. Gib sie mir, sagte er.
    Einen Scheiß gebe ich dir.
    Er packte mich. Zu jedem anderen Zeitpunkt unseres Lebens wäre klar gewesen, wie es ausging – er hätte mich in Stücke gerissen –, aber jetzt galten andere Regeln. Ich konnte mich nicht entscheiden, was stärker war: Der Rausch, ihm zum ersten Mal im Leben körperlich überlegen zu sein, oder die Angst davor.
    Wir stießen hier was um und da was um, aber ich ließ ihn nicht an die Dose, und irgendwann gab er auf. Ich war für eine zweite Runde bereit, aber er war wacklig auf den Beinen.
    Schon gut, keuchte er. Behalt das Geld. Aber keine Sorge. Ich kriege dich schon noch, du Wichtigtuer.
    Ich zittere vor Angst, sagte ich.
    Abends erzählte ich Mami alles. (Natürlich betonte ich, das sei alles passiert,
nachdem
ich aus der Schule gekommen war.)
    Sie schaltete die Herdplatte unter den Bohnen ein, die sie seit morgens einweichte. Streite dich bitte nicht mit deinem Bruder. Er soll sich nehmen, was er will.
    Aber er klaut unser Geld!
    Das kann er haben.
    Am Arsch, sagte ich. Ich baue ein anderes Schloss ein.
    Nein, das lässt du bleiben. Das ist auch seine Wohnung.
    Willst du mich verarschen, Ma? Ich wollte schon in die Luft gehen, als es mir schlagartig klar wurde.
    Ma?
    Ja, hijo.
    Wie lange macht er das schon?
    Was?
    Geld stehlen.
    Sie wandte mir den Rücken zu,

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