Und so verlierst du sie
Sklavin zu spielen; dass sie die nächsten vier Jahre mehr oder weniger von den Winden der Notwendigkeit getrieben wurde, durch Newark, Elizabeth, Paterson, Union City, Perth Amboy (wo ein irrer Kubaner ihr den zweiten Sohn Adrian bescherte), und dass alle ihre Gutmütigkeit ausnutzten und sie jetzt in London Terrace versuchte, sich über Wasser zu halten, und auf ihre nächste Chance wartete. Dabei strahlte sie meinen Bruder an.
In der DR werden Mädchen nicht wirklich einfach so verheiratet, oder, Ma?
Por favor, schnaubte Mami. Glaub dieser puta kein Wort. Dabei jammerten sie und ihre Pferdegesichter eine Woche später darüber, wie oft so was auf dem campo vorkam, und dass Mami sich gegen ihre eigene verrückte Mutter hatte wehren müssen, um nicht gegen ein Paar Ziegen eingetauscht zu werden.
Meine Mutter, tja, sie hatte eine einfache Regel, was die »amiguitas« meines Bruders betraf: Weil keine von ihnen bleiben würde, machte Mami sich nicht die Mühe, ihre Namen zu lernen, und schenkte ihnen nicht mehr Beachtung als unseren Katzen zu Hause in der DR . Mami war nicht gemein zu ihnen oder so was. Wenn ein Mädchen hi sagte, sagte sie auch hi, und wenn ein Mädchen höflich war, erwiderte Mami die Höflichkeit. Aber mehr als ein Watt setzte die vieja nicht ein. Sie war rigoros gnadenlos gleichgültig.
Bei Pura lief die Sache anders. Von Anfang an war klar, dass Mami die Kleine nicht mochte. Nicht nur, weil Pura unglaublich offensichtlich auf Papiere aus war und pausenlos auf ihre Aufenthaltserlaubnis anspielte – dass sie ein viel besseres Leben hätte, dass ihr Sohn ein viel besseres Leben hätte, dass sie endlich ihre arme Mutter und ihren anderen Sohn in Las Matas besuchen könnte, wenn sie nur Papiere hätte. Mami waren schon früher Visumschlampen untergekommen, und so angepisst hatte sie noch nie reagiert. Irgendwas an Puras Gesicht, ihrem Timing, ihrer ganzen Art brachte Mami auf die Palme. Wirkte richtig persönlich. Vielleicht ahnte Mami auch nur, was passieren würde.
Woran es auch lag, meine Mutter war zu Pura supergemein. Wenn sie Pura keine Predigten hielt, weil sie so redete, wie sie es nun mal tat, weil sie sich so anzog, so aß (mit offenem Mund), so ging, weil sie so campesina war, weil sie prieta war, behandelte Mami sie wie Luft, ging quasi durch sie hindurch, stieß sie zur Seite, ignorierte die einfachsten Fragen. Nahm sie Pura doch mal zur Kenntnis, dann nur für Fragen wie, Rafa, was will Puta essen? Sogar ich meinte, Herrje, Ma, was soll der Scheiß? Aber das Übelste war, dass Pura ihre Feindseligkeiten anscheinend gar nicht mitbekam! Egal, was Mami machte oder was Mami sagte, Pura versuchte mit ihr ins Gespräch zu kommen. Durch Mamis Zickigkeit zog Pura nicht den Kopf ein, sie machte sich eher noch breiter. Allein mit Rafa war Pura recht still, aber sobald Mami in der Nähe war, hatte die Kleine zu
allem
eine Meinung, mischte sich in jedes Gespräch ein, erzählte völligen Blödsinn – etwa, New York sei die Hauptstadt von Amerika, oder es gäbe nur drei Kontinente – und verteidigte ihn bis aufs Blut. Man sollte meinen, sie wäre vorsichtig und zurückhaltend gewesen, weil Mami ihr so im Nacken saß, aber von wegen. Das Mädchen nahm sich Freiheiten heraus! Búscame algo para comer, sagte sie zu mir. Kein Bitte, kein gar nichts. Wenn ich ihr nicht holte, was sie wollte, nahm sie sich selbst Limos oder Flan. Meine Mutter nahm Pura das Essen aus den Händen, aber sobald Mami sich umdrehte, bediente Pura sich wieder aus dem Kühlschrank. Erzählte Mami sogar, sie solle die Wohnung streichen. Hier fehlt Farbe. Esta sala está muerta.
Ich sollte nicht lachen, aber irgendwie war das alles komisch.
Und die Pferdegesichter? Sie hätten ein bisschen ausgleichen können, meint ihr nicht, aber sie waren eher so, Scheiß drauf, wofür hat man Freunde, wenn man sie nicht aufhetzen kann? Sie schlugen jeden Tag die Hasstrommel gegen Pura. Ella es prieta. Ella es fea. Ella dejó un hijo en Santo Domingo. Ella tiene otro aquí. No tiene hombre. No tiene dinero. No tiene papeles. Qué tú crees que ella busca por aquí? Sie malten Mami das Schreckensbild aus, Pura könnte von Rafas Staatsbürgerspermien schwanger werden, und Mami müsste sie und ihre Kinder und ihre Familie in Santo Domingo für alle Zeiten durchbringen, und Mami, die gleiche Frau, die nach Mekka-Zeitplan zu Gott betete, erklärte den Frauen, wenn das passieren sollte, würde sie das Baby eigenhändig aus Pura
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